Wien - Alfred Dorfers Begründung, warum er die ORF-Sendung Donnerstalk nicht weiterführt, klingt plausibel: Man erodiert mit einem erodierenden System mit. Der Kabarettist und Talkmaster hätte diese Erkenntnis allerdings schon eher haben sollen. Denn sein Rückblick bisjetzt, am Montag im Akademietheater vorgestellt, ist nichts anderes als ein Donnerstalk - in einer "extended version".

Begleitet wird Dorfer "wie immer" (und das bedeutet Erstarrung) von den Musikern Peter Herrmann und Lothar Scherpe sowie dem Kabarettisten Günther Paal am Bass, der sich mitunter (viel zu selten) um Kopf und Kragen reden darf. Die Band spielt einen Tusch oder intoniert einen Song (aber nur ganz kurz), zumeist verharrt sie ins Eck gedrängt. Denn die Bühne, mag sie auch noch so groß sein, gehört dem Talkmaster. Geschmeidig erobert er sie: mit ausladenden Gesten, immer in Bewegung.

Das Synchronsprechertrio Maschek durfte leider nichts beisteuern, Gäste aber gibt es zur Genüge - in der Gestalt von Erinnerungen. Dorfer erzählt (s)ein Leben anhand von Ausschnitten und Nummern aus alten Programmen nach. Und er kontrastiert diese Werk-Biografie mit jener des Lehrers Robert Brenneis, die er zum Glück doch nicht leben muss.

Ein "Stück von Alfred Dorfer", wie der Rückblick im Programmblatt bezeichnet wird, ist bisjetzt aber nicht; es ist nur Stückwerk. Natürlich gibt es großartige Szenen (etwa die Rede des Bürgermeisters bei der Angelobung samt dem Echo, das sich verselbständigt), wunderbare Aphorismen ("Das Gewissen meldet sich nur, wenn es schlecht ist") und Dialoge zum Schmunzeln (aus Indien mit Josef Hader vom Band).

Aber vieles, zu vieles reißt Dorfer nur an. Dabei verheddert er sich über das Maß in Altbekanntem: "Gefügt aus persönlichen Erinnerungen und politischen Erfahrungen", wie Dorfers Beschreibung von heim.at lautete. Im Zusammenhang mit fremd fragte er: "Reicht die Biografie, die man lebt, aus? Oder entsteht sie erst, wenn man die gelebte mit geträumten Biografien teilt?" Und den Inhalt von Alles Gute fasste Dorfer so zusammen: "Von Erinnerung zu Erinnerung verdichtet sich die Erkenntnis, dass das Leben ihn gelebt hat, statt umgekehrt."

Gegen Ende des zweistündigen Abends wird Dorfer melancholisch. Das kann er perfekt. Erneut verbrüdert er sich mit dem Publikum: "Was hat uns der Abend gesagt? Was nehmen wir mit nach Hause?" Der Saal bleibt allein zurück. Die Wände haben nicht gewackelt. Und die Erosion ist ein Schwein.  (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 12. 1. 2011)