Sportlehrer Mike Brennan und sein Rechtsvertreter Wilfried Embacher betreten das Wiener Landesgericht. In der Glastür spiegelt sich ein kleiner Teil des großen Medieninteresses an dem Prozess, der in erster Instanz mit einem Schuldspruch für den angeklagten Drogenfahnder endete.

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Wien - Wenn sein Camp-David-Hemd ein Friedensangebot war, hat es wenig gebracht. Der Polizist, der vor zwei Jahren in der Wiener U-Bahn den farbigen Sportlehrer Mike Brennan mit einem Drogendealer verwechselt und ihn im Zuge der Festnahme verletzt hatte, wurde am Dienstag schuldig gesprochen. Das Urteil für die fahrlässige schwere Körperverletzung - eine Geldstrafe von 2800 Euro - ist zwar milde, der Beamte erbat aber sichtlich enttäuscht Bedenkzeit. Der Spruch ist nicht rechtskräftig.

Auch Mike Brennan ist nicht wirklich zufrieden. "Ich bin zwar froh, dass es überhaupt rechtliche Konsequenzen gibt, aber ich hätte mir mehr erwartet. Auch als generelles Zeichen gegen Diskriminierung", sagte der US-Bürger unmittelbar nach Prozessende zum Standard. Sein Rechtsvertreter Wilfried Embacher spricht von einer "typisch österreichischen Lösung". Er wirft Richter Patrick Aulebauer sinngemäß vor, sich vor einer eindeutigen Entscheidung gedrückt zu haben.

Die Anklage lautete eigentlich auf vorsätzliche schwere Körperverletzung, und darauf stehen bis zu drei Jahre Gefängnis. Doch schon während des Prozesses war die bemerkenswerte Situation entstanden, dass selbst der Staatsanwalt die Anklage als zu hart empfand. Und das wiederum hat eine Vorgeschichte.

Wie berichtet, sollte der missratene Polizeieinsatz vom 11. Februar 2009 in der U-Bahn-Station Spittelau vor dem Bezirksgericht Wien-Josefstadt verhandelt werden - als fahrlässige Körperverletzung. Doch die Richterin hielt diese Anklage für verfehlt, sich als unzuständig und verwies an das Landesgericht Wien, wo schließlich auch das wesentlich schwerere Vorsatzdelikt zur Verhandlung kam.

Sogar in seinem Abschlussplädoyer am Dienstag wies der Anklagevertreter noch einmal darauf hin, dass es sich seiner Ansicht nach um ein Fahrlässigkeitsdelikt handle. Natürlich habe der Polizist mit der Verwechslung einen folgenschweren Fehler begangen, doch der Einsatz sei "kampftechnisch in Ordnung gewesen". Zumindest gebe es keinen Beweis für das Gegenteil.

Tatsächlich hatte die Verhandlung über weite Strecken sogar einen möglichen Freispruch erwarten lassen. Denn der Vorwurf, dass der Polizist dem vermeintlichen Dealer Faustschläge ins Gesicht versetzt habe, ließ sich nicht erhärten. Im Gegenteil: Gerichtsmediziner Wolfgang Denk schloss in seinem Gutachten Faustschläge in Brennans Gesicht aus. Auch in der Notaufnahme unmittelbar nach dem Vorfall waren in seinem Gesicht nur Rötungen festgestellt worden. Für die Schläge ins Gesicht gab es nur zwei Zeugen: Brennan selbst und seine Freundin. Aber auch sie konnte Dienstag als Zeugin nicht mit Sicherheit sagen, ob die erhobene Polizistenfaust tatsächlich das Gesicht des Sportlehrers getroffen hat. Brennans Bruch eines Lendenwirbelfortsatzes gilt nicht als überschießende Polizeigewalt, weil diese Verletzung im Zuge der Fixierung eines Verdächtigen (draufknien) eben entstehen könne.

Kritik an Medien

Dass er schlussendlich doch auf fahrlässige schwere Körperverletzung entschied, begründete Richter Aulebauer mit zwei Irrtümern des Angeklagten: "Zuerst haben Sie und Ihr Kollege den Sportlehrer mit einem Drogendealer verwechselt und dann auch noch angenommen, Herr Brennan würde einen Fluchtversuch unternehmen." Rechtlich basiert das Urteil auf Paragraf 8 des Strafgesetzes, der die "irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes" regelt. In derartigen Fällen kann bei Schuldsprüchen ausschließlich auf Fahrlässigkeit entschieden werden.

Der verurteilte Drogenfahnder verließ fluchtartig den Saal. In seinem Schlusswort vor dem Urteil hatte er gemeint: "Es ist wirklich traurig, manche Medien haben mich längst vorverurteilt." (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 12. Jänner 2011)