Der hehre Plan der SPÖ für eine Gesamtschule, die umfassend, gerecht und effizient sein soll, hat entscheidende Schwächen. Erstens: Die ÖVP macht nicht mit. Zweitens: Eine gute Gesamtschule würde auch kosten. Die Mittel dafür sind aber nicht absehbar. Die Sparefrohs in der Regierung wollen ja auch sonst im Bildungsbereich kein Geld ausgeben.

An beiden Problemfeldern wird auch das an sich ehrenvolle Bildungsvolksbegehren der alten Männer nichts ändern.

Nachdem sich über das Wochenende der von der ÖVP verbreitete Trockeneisnebel gelichtet hat, lässt sich feststellen: Das sogenannte Bildungskonzept bedeutet keinerlei Fortschritt. Nach ÖVP-Plan würden lediglich bei den Hauptschulen die Türschilder ausgetauscht werden. Die hießen dann eben Neue Mittelschulen. Parallel dazu gäbe es weiter die Gymnasien. Den Eltern und ihren zehnjährigen Kindern würde also immer noch eine allzu frühe Entscheidung aufgedrängt, wie die künftige Bildungskarriere verlaufen soll. Mit vielen Worten und Windungen ist das letztendlich doch ein klares Nein zur Gesamtschule. Ja zur Vielfalt, sagt die ÖVP, Nein zum Eintopf. Wenn es nach der ÖVP geht, soll es sogar noch weitere Hürden auf dem Weg zur Matura geben. Er wolle keine Nivellierung nach unten, begründet ÖVP-Chef und Vizekanzler Josef Pröll diese Position.

Man mag und muss diese Position nicht für klug halten. Aber sie ist wenigstens eines: ehrlich. Vor allem aus der Sicht des Finanzministers, der Pröll ja auch ist. Eine sinnvolle Gesamtschule wäre nämlich teuer. Wesentlich teurer als das bisherige Unterrichten nach alten Mustern. Gesamtschule bedeutete nämlich, dass alle Schüler individuell gefördert würden. Dass die gescheiten und begabten Schüler in ihren Stärken unterstützt und gefördert würden und dass den ungeschickteren, nicht so klugen Schülern aus ihren Schwächen herausgeholfen wird. Das geht mit dem Frontalunterricht einer Lehrperson vor der Tafel nicht.

Würde man mit den jetzigen budgetären Mitteln eine flächendeckende Gesamtschule einführen, wäre das tatsächlich eine Nivellierung nach unten. Weder Werner Faymann noch Josef Pröll, die beide gerne mit blumigen Worten über die Zukunft des Landes und das Potenzial der Jugend schwadronieren, lassen irgendeine Bewegung erkennen, das Thema Bildung auch mit entsprechenden Investitionen ernst zu nehmen. Stattdessen wird weiter mit immer neuen Worten ein ideologischer Kampf am Schlachtfeld der Schule ausgetragen - ohne dass es zu einer entscheidenden Bewegung kommt. Das System bleibt, mit kleinen Änderungen, das alte: schlecht.

Hannes Androsch will dagegen mit einem Volksbegehren ankämpfen. Aus Sorge um die jungen Leute, wie er sagt. Man darf Androsch, der ein in jeder Hinsicht abwechslungsreiches Leben hinter sich hat, unterstellen, dass auch die Sorge um sein eigenes Ansehen und um seine eigene Bedeutung ein Grundmotiv war. Macht nichts.

Alles, was die öffentliche Wahrnehmung auf die Bildungsmisere lenkt und damit den Druck auf die Regierung erhöht, endlich zu investieren und Verbesserungen umzusetzen, ist überschwänglich zu begrüßen. Wenn es Androsch gelingt, bei Pröll als ÖVP-Chef und Finanzminister ein Umdenken herbeizuführen, soll er ruhig in die Galerie der Säulenheiligen der heimischen Bildungspolitik aufgenommen werden: als Hannes der Wichtige. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2011)