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Ein türkischer Siedler renoviert ein Haus im türkisch besetzten Nordteil von Zypern. Zwei Drittel bis drei Viertel der Gebäude und Ländereien gehören rechtlich griechischen Zyprioten.

Foto: AP/Karadjias

Doch die Griechen fürchten die endgültige Teilung der Insel. Merkel besucht als erste deutsche Regierungschefin Nikosia

Herr Veresies hat ein Problem, und Herr Mapolar könnte helfen. "Wir sind fair", sagt der schlanke Jurist im kaffeebraunen Anzug. Doch sehr wahrscheinlich werden sich die beiden Männer nie treffen. Kyriakos Veresies will sein Haus und Land zurück, die "Eigentumskommission" von Romans Mapolar und dessen Kollegen im türkischen Teil von Zypern kann ihm gestohlen bleiben.

Seit die Grenzen auf Zypern aufgegangen sind, fährt Veresies, der Nervenarzt aus Larnaka, ein- bis zweimal im Monat mit dem Auto in sein Heimatdorf auf die andere Seite. "In meinem Haus wohnt nun ein Typ, der dort schon länger lebt, als ich selbst es getan habe. Er hat mir das auch genau so gesagt", erzählt Veresies, ein bulliger Mann, der seit seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst eine Privatklinik führt. "Sie sind dort im Dorf sehr nett zu mir, wir trinken Kaffee. Doch jedes Mal habe ich Angst, dass ich mein Haus nicht mehr finde."

Es wird viel niedergerissen, neu gebaut, die Stimmung im Norden hat sich sehr verändert, sagen die Griechen aus dem Süden, die seit nun sieben Jahren durch die Pufferzone der UNO in den Teil der Insel fahren können, den die türkische Armee seit 1974 kontrolliert. Politiker und Diplomaten beschreiben die Eigentumsfrage gern als das größte Problem auf Zypern. Doch sie ist zweideutig: für die einen der Schlüssel zu den Verhandlungen über eine gemeinsame Zukunft auf der Insel; für die anderen die letzte Hürde auf dem Weg zur endgültigen Zweistaatlichkeit.

Zwei Drittel bis drei Viertel der Gebäude und Ländereien im türkisch besetzten Nordteil der Insel gehören rechtlich griechischen Zyprioten. Romans Mapolar von der Eigentumskommission möchte sich nicht auf solche Größenordnungen festlegen. Er listet lieber die Zahlen seiner Kommission auf, die in der Altstadt von Lefkosa, dem türkischen Teil der Inselhauptstadt, untergebracht ist – und die Geld zahlt. "Sehr hohe Summen", sagt Mapolar. Zwischen 100.000 und zehn Millionen britische Pfund an Entschädigungen für die Eigentümer hat die international nicht anerkannte Türkische Republik Nordzypern bisher ausbezahlt. Die Rückgabe von Häusern oder ein Tausch von Immobilien zwischen Flüchtlingen aus dem Norden und dem Süden sind die Ausnahmen. 165.000 griechische und 45.000 türkische Zyprioten ließen damals ihr Hab und Gut zurück.

Knapp 800 Anträge haben die Griechen seit der Gründung dieser Schiedskommission 2006 eingereicht – persönlich oder durch türkisch-zypriotische Anwälte -, etwa die Hälfte allein im vergangenen Jahr. Für 2011 erwarten die sechs Juristen der Kommission nochmals einen starken Anstieg. Denn die Schiedsstelle, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg als alleiniges Gremium zur Regelung der Grundstücksfragen im Norden anerkannt hat, soll es nur bis Ende des Jahres geben. Das Eigentumsrecht erlischt zwar nicht, so viele Hotelburgen und Appartmenthäuser türkische Geschäftsleute auch auf den Grundstücken der Griechen bauen mögen. Doch "praktisch gesehen", so sagt Mapolar, entleere sich der Anspruch, je mehr Zeit verstreicht. "Ich dränge niemanden, einen Antrag zu stellen. Die Griechen haben die Wahl. Aber wenn sie es jetzt nicht tun, dann müssen sie bis zur endgültigen Lösung des Konflikts warten." Jeder auf der Insel weiß, was das heißen kann: warten auf Nirgendwann.

Am Dienstag wird Angela Merkel als erste deutsche Regierungschefin nach Nikosia kommen. Sie hat das Zypern-Problem als größtes Hindernis bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bezeichnet. "Merkels Besuch könnte helfen, ihre Anwesenheit hier ist symbolisch wichtig", glaubt Nicos Rolandis, ein langjähriger Außen- und Handelsminister. "Deutschland ist ein sehr rationales Land. Es hat seine eigene Erfahrungen mit Teilungen gemacht."

Rolandis zählt ähnlich wie der Arzt Veresies zu jenen Männern auf der Insel, die man als "Romantiker" abtut, weil sie noch die gemeinsame Zeit mit den türkischen Zyprioten erlebt haben und an die Möglichkeit eines föderalen Staats glauben. Rolandis, ein Liberal-Konservativer, hat eine ganze Liste von Fehlern und verpassten Chancen der griechischen Zyprioten parat. Sie haben den Ausgleich mit den Türken verspielt, sagt er: angefangen von der Ghettoisierung der türkischen Zyprioten 1963, bis zum UN-Plan 2004, den die Griechen ablehnten. In Nikosia hört man das nicht gern. Ebenso wenig wie sein Urteil über die beiden großen Parteien der Republik Zypern.

Die heutigen Konservativen der Disy und die kommunistische Akel des nun regierenden Präsidenten Demetris Christofias, so sagt Rolandis, hätten versagt, gemeinsam für einen Staat mit den Türken zu werben und damit eine Mehrheit der Griechen hinter sich zu bringen. Jetzt tickt die Uhr. "Wenn wir es dieses Jahr nicht schaffen, haben wir nicht nur faktisch, sondern auch de jure eine Teilung der Insel."

Kyriakos Veresies, der Doktor mit dem Haus in dem Dorf Lysi, das längst einen türkischen Namen trägt – Akdogan -, verschwendet deshalb keinen Gedanken an die Eigentumskommission. Er hängt an dem Stück Land, das nicht geteilt sein soll: "Wir können nicht unsere Wurzeln verkaufen." (Markus Bernath aus Nikosia/Langfassung, DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2011)