Dem ehemaligen Unterrichtsminister Erhard Busek fehlen Inhalte im ÖVP-Bildungskonzept.

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Standard: Was halten Sie vom neuen Bildungskonzept der ÖVP?

Busek: Ich bin froh, dass es endlich da ist. Dieses Konzept ist zur Abwechslung ein substanzieller Beitrag, der nicht nur aus Worthülsen besteht. Für einen Fortschritt halte ich die Konzentration auf die Volksschule: Die Förderung der Lesefähigkeit ist der richtige Ansatz. Positiv ist auch der Versuch, die Hauptschule zu verändern. Nur erscheint mir das Konzept da nicht sehr elaboriert.

Standard: Inwiefern?

Busek: Wieder einmal wird die Aufschrift auf der Schule geändert, doch was wird dadurch besser? Die Frage nach den Inhalten beantwortet auch das ÖVP-Konzept nicht - das ist generell der Jammer in der Bildungsdebatte. Die Parole müsste lauten: Weg mit den Politikern, her mit den Pädagogen, die Lehrinhalte bearbeiten. Dass die Hauptschule ein Problem hat, wissen wir ja. Am Land ist sie nach wie vor gut, in der Stadt jedoch eine Sonderschule.

Standard: Die ÖVP will das Gymnasium retten. Zu Recht?

Busek: Ja. Wir brauchen das Gymnasium, um eine gewisse Qualität zu fördern.

Standard: Pisa-Sieger Finnland steckt aber alle Schüler in eine gemeinsame Mittelschule.

Busek: Dort wird im Unterricht allerdings auch mit größerem Aufwand zwischen den Schülern differenziert. Wenn es dafür die notwendigen Mittel gibt, bin auch ich für eine gemeinsame Mittelstufe. Doch das ist in Österreich nicht in Sicht. Wir haben jetzt schon kein Geld für derartige Zwecke. Ich vermisse auch ein Programm für den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschule - das ist eine Kritik an der gesamten Regierung. Es gibt Geld für den Westring in Linz, aber nicht für die Schulen.

Standard: Was fehlt Ihnen im ÖVP-Konzept sonst noch?

Busek: Eine Reform der Lehrerausbildung, die meines Erachtens im Argen liegt. Die Konzentrationsfähigkeit der Kinder nimmt wegen bestimmter Umwelteinflüsse ab - damit müssen die Lehrer umgehen lernen. Ebenso sollte es eine größere Durchlässigkeit im Beruf geben. Der Satz "Einmal Lehrer, immer Lehrer" ist schrecklich.

Standard: Und die umstrittene geplante Prüfung zur "mittleren Reife" nach der achten Schulstufe?

Busek: Die Prüfung ist problematisch, weil sie in dieser Alterstufe zu früh stattfindet. Ich wehre mich aber dagegen, alle Prüfungen abzuschaffen - die kommen im späteren Leben, wo Qualifikation notwendig ist, auf jeden Fall. Die prüfungslose Schule ist ein Witz.

Standard: Werden Sie das Bildungsvolksbegehren unterstützen?

Busek: Das weiß ich noch nicht. Ich habe Hannes Androsch Vorschläge geschickt, wurde aber zum gestrigen Auftakt nicht eingeladen. Wenn es kein Interesse gibt, werde ich mich nicht engagieren.(Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2011)