In Hall in Tirol wurden im Dezember bei Vorarbeiten rund um die Erweiterung der Landespflegeklinik die sterblichen Überreste von etwa 220 NS-Opfern entdeckt. Doch auch auf Privatgrundstücken werden immer wieder Gebeine ausgegraben. Wie die Finder damit umgehen müssen und was passiert, nachdem die Polizei den Fund freigegeben hat, erklärt die Leiterin der Wiener Stadtarchäologie, Karin Fischer Ausserer.
Einzelfunde sind selten
"In Wien sind hauptsächlich aufgelassene Friedhöfe betroffen, die im Zuge von Neubauten gefunden werden", berichtet Fischer Ausserer und nennt als Beispiele die Funde in der Sensengasse, Marchettigasse und Zollergasse. Da deren Lage oft im Vornherein bekannt ist, werden die Friedhöfe bereits vor Baubeginn archäologisch untersucht.
"Unvorhergesehene Einzelfunde kommen selten vor, im Durchschnitt einmal pro Jahr. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg, oder um Bestattungen antiker Gräberfelder, die noch nicht lokalisiert waren", sagt die Leiterin der Stadtarchöologie. Sie erinnert sich an einen Fund eines Wehrmachtssoldaten auf den Aspanggründen im vergangenen Jahr: "Er hatte seine Ausrüstung und Bewaffnung bei sich. An Hand der Lage und der Projektile im Rückgrat waren seine letzten Momente noch sehr einprägsam nachvollziehbar."
Skurrile Funde
Als eher makaber und skurril bezeichnet Fischer Ausserer den Fund eines Schädels am Nielrosenweg im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Er wurde beim Umgraben in einem Schrebergarten gefunden und rief in den Medien ein großes Echo hervor. Bei der Untersuchung des Fundplatzes stellte sich allerdings heraus, dass lediglich der Schädel vorhanden war, der von einem der Vorbesitzer des Grundstückes verscharrt wurde. "Möglicher Weise hatte er ihn irgendwo am Schwarzmarkt erworben - Skelettschädel werden um teures Geld gehandelt - und wollte ihn einfach loswerden", vermutet die Archäologin.
"Bei der Auffindung von menschlichen Gebeinen ist abzuklären, ob sie noch in den Zuständigkeitsbereich der Exekutive fallen, oder ob sie auf Grund ihres Alters dem Denkmalschutzgesetz unterliegen", sagt die Archäologin. Im Fall von Hall könnten möglicherweise noch Schuldige eruiert werden, daher fällt die Untersuchung der Überreste in den Aufgabenbereich der Exekutive. Zudem verjährt Mord nicht.
Fallen die Skelettfunde aber unter das Denkmalschutzgesetz, besteht laut Paragrafen 8 und 9 Meldepflicht für die Finder. Das bedeutet, dass das betroffene Gelände für archäologische Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden muss. Mit Genehmigung des Bundesdenkmalamtes wird dann eine Rettungsgrabung durchgeführt, bei der die Überreste freigelegt, dokumentiert, und geborgen werden.
Letzte Ruhe am Zentralfriedhof
Wenn die Gebeine schließlich geborgen sind, werden sie zunächst von Anthropologen auf Auffälligkeiten hin untersucht und ein schriftlicher Bericht verfasst. Anschließend müssen sie der Magistratsabteilung 15 gemeldet werden. Bei historischen Gebeinen lässt diese Abteilung die Funde von der Wien-Bestattung abholen, die sie dann auf den Zentralfriedhof bringt. Dort gibt es einen eigenen Schacht, wo sie niedergelegt werden, der Fundort wird auf einer nebenbei angebrachten Tafel vermerkt. Theoretisch könnten die sterblichen Überreste aber auf jedem Friedhof begraben werden.
"Sollten einzelne Skelette für die Anthropologie aus wissenschaftlichen Gründen wertvoll sein, können sie in Wien in deren Sammlung aufgenommen werden", sagt Karin Fischer Ausserer. (Julia Schilly, derStandard.at 10. Jänner 2011)