Bild nicht mehr verfügbar.

Jets-Chefcoach Rex Ryan ist unser Phrasenkönig

Foto: Reuters

Die Saison beginnt „jetzt erst richtig" und Favoriten ist lediglich ein Gemeindebezirk in Wien. „Gewinnen oder ausscheiden!" die Zusammenfassung für all jene, die noch nicht wussten, dass ab jetzt K.O- Runden anstehen. Die Pressemeldungen der involvierten acht Klubs der ersten Playoff Runde und auch jene der NFL sind voll mit solchen Plattidüden:

„It doesn't matter how you got here. All that matters is that you're here." (NFL)

"It's a new season. You start from square one. The teams that are in are now 0-0." (Sean Payton, head coach New Orleans Saints)

"It's the postseason. You win or go home. That should motivate everybody. Do your job or you won't be playing next week. There's really nothing more to say. This is the season. It starts now." (Michael Vick, quarterback Philadelphia Eagles)

"Getting into the playoffs, that's all you want. You just want to have a shot." (Will Herring, linebacker Seattle Seahawks)

Absoluter König (nomen est omen) der „no na net"-Statements ist aber New York Jets head coach Rex Ryan, dessen Einzeiler an substanzieller Tragweite schwer zu unterbieten ist: "We are not going to Indianapolis to lose, we are going there to win."

Die Fans der Jets können also aufatmen. Ihr Team hat keinen Geheimplan zum vorzeitigen Ausscheiden geschmiedet. Beruhigend. Irgendwie.

Bleiben wir noch bei den harten Fakten. Zwölf Teams stehen im Playoff. Die vier besten Gewinner ihrer Division haben eine „bye week" - New England und Pittsburgh in der AFC, Atlanta und Chicago in der NFC. Die restlichen acht gehen in die Wild Card Runde. Die Gewinner dieser Spiele steigen in die Divisional Playoffs („Viertelfinali") auf.

Das finale Seeding nach dem Grunddurchgang:

AFC
1 New England (bc*)14-2
2 Pittsburgh (bc)12-4
3 Indianapolis (b)10-6
4 Kansas City (b)10-6
5 Baltimore 12-4
6 N.Y. Jets 11-5

NFC
1 Atlanta (bc*) 13-3
2 Chicago (bc) 11-5
3 Philadelphia (b)10-6
4 Seattle (b) 7-9
5 New Orleans 11-5
6 Green Bay 10-6

b Divisionsgewinner
c bye Week in der ersten Runde
* Heimrecht in den Playoffs

Baltimore und die New York Jets bzw. New Orleans und Green Bay haben zwar jeweils ein besseres Sieg-Niederlage Verhältnis als Indianapolis und Kansas City bzw. Seattle und Philadelphia, der Gewinn einer Division geht bei der Reihung aber vor. Der Gewinner eines Wild Card Spiels mit dem niedrigsten seeding, trifft im Divisional Playoff auf die Nummer 1 seiner conference, jener mit dem höchsten seeding, auf die Nummer 2.

Von der Wild Card zum Champion
Bisher ist es erst sechs Wild Card-Teilnehmern gelungen die Super Bowl am Ende zu gewinnen. Oakland (1980), Denver (1997), Baltimore (2000), Pittsburgh (2005), Indianapolis (2006) und die New York Giants (2007) stehen auf dieser kurzen Liste. Auffällig daran ist die Häufung der - wenn man so will - Überraschungen in jüngster Vergangenheit. Eine „bye week" hat Vor-, aber auch Nachteile. Auf der einen Seite geht das Team ausgeruht in die nächste Runde, angeschlagene Spieler können Verletzungen ausheilen lassen, der kommende Gegner kann beobachtet werden. Auf der anderen Seite wird der Rhythmus durchbrochen.

2010 ist übrigens bereits die 15. Saison in Folge, in der zumindest fünf Teams sich für die Playoffs qualifiziert haben, die in der Saison zuvor das nicht geschafft haben. Heuer sind das Atlanta, Chicago, Kansas City, Pittsburgh und Seattle, die 2009 nach dem Grunddurchgang allesamt nur mehr Zuschauer waren.

Die 12 Playoff Teams und ihre bisherige Bilanz in Playoff Spielen:

1. Pittsburgh Steelers 31 Siege - 17 Niederlagen (62%)
2. Baltimore Ravens 8-5 (61.5%)
3. Green Bay Packers 25-16 (61%)
4. New England Patriots 21-14 (60%)
5. Philadelphia Eagles 19-19 (50%)
6. Indianapolis Colts 19-19 (50%)
7. Chicago Bears 16-17 (48.5%)
8. New York Jets 10-12 (45.5%)
9. New Orleans Saints 5-6 (45.5%)
10. Seattle Seahawks 7-10 (41.2%)
11. Atlanta Falcons 6-9 (40%)
12. Kansas City Chiefs 8-13 (38.1%)

Reid-Rekord
Andy Reid, head coach der Philadelphia Eagles, hat zehn Siege in Playoff Spielen als Trainer auf seinem Konto. Alle anderen sieben Trainer zusammen kommen auf dreizehn Siege.

Die Wild Card Runde im Überblick:

  • AFC Wild Card

Indianapolis Colts (#3) - New York Jets (#6)
Samstag 8. Jänner, 02:00 (Sonntag) MEZ; Lucas Oil Stadium Indianapolis; TV: ESPN America
Letztes Spiel: 27. Dezember 2009: IND-NYJ 29:15

Wie wir eingangs schon erfahren haben, planen die Jets dieses Spiel nicht zu verlieren. Nicht nur deshalb gehören die New Yorker zu den weniger beliebteren Teams der NFL. In der off season zeichnete der Sender HBO in seiner Serie „Hard Knocks" ein gar seltsames Bild des Klubs. Nicht immer sattelfest zwischen Selbstvertrauen und großspuriger Peinlichkeit mäandernd, war das Gefühl des Fremdschämens, vor allem für den dann oft mäßig witzigen head coach Rex Ryan, allgegenwärtig. Der auch in seiner Reisetasche ein eigenes Fach für die Super Bowl Trophäe einnähen ließ. Man(n) ist sich seiner Sache sicher - die Gegner schütteln darüber nicht selten ihre Häupter.

Über den kommenden Gegner hat Ryan dann überraschender Weise nur Gutes zu berichten. Aber auch nur zum Zweck eines Seitenhiebs auf seine Nemesis Tom Brady. Peyton Manning, so Ryan, der sei der beste quarterback der Liga, der ganz alleine alles erledigt und die defense eines Gegners zur gläsernen Abteilung macht. Ganz anders als dieser Brady, der dazu schon seinen Ziehvater (Bill) Belichik braucht. Brady machte vor Saisonstart seinen „Hass" auf die Jets öffentlich, für die aus seiner Sicht peinliche Darstellung eines NFL Teams in „Hard Knocks". Nicht nur das, fügte er den Jets eine offenbar bis heute von Ryan nicht verdaute 45:3 Niederlage im Grunddurchgang zu.

Sportlich lief es für die Jets so gesehen auf und ab, denn besagte Klatsche gegen New England, die war die Ausnahme. Eine starkes Laufspiel (LaDainian Tomlinson und Shonn Greene zusammen #4 der NFL) und die drittstärkste Defense der Liga führten zu elf Siegen bei nur fünf Niederlagen. Der zweite Rang in der AFC East (hinter New England) und der letzte seeding spot damit die Ausbeute.

Manning in Schwierigkeiten
Das Laufspiel, das war über längere Strecken die Achillesferse der Colts. Die verloren zum Saisonstart mit Dallas Clark einen Schlüsselspieler ihrer Offense, runningback Joseph Addai fehlte sechs Spiele (ist seit Runde 16 erst wieder dabei), Donald Brown und Javarris James konnten das nur notdürftig kompensieren. Mit dem Manko stieg auch die Fehleranfälligkeit von Manning, der 2010 17 interceptions warf. Seine letzte Saison mit mehr picks war jene von 2002 (!).

Trotz allem kratzten die Colts (10-6) im Saisonfinale dann noch die Kurve, hängten auf der Zielgeraden mit Siegen über Tennessee (2), Oakland und Jacksonville ebendiese Jaguars (8-8) im Kampf um den Divisionstitel noch ab.

Die Gesamtbilanz gegeneinander geht mit 40 zu 26 Siegen klar an Indianapolis, die auch sieben der letzten zehn Begegnungen für sich entscheiden konnten.

  • AFC Wild Card

Kansas City Chiefs (#4) - Baltimore Ravens (#5)
Sonntag 9. Jänner, 19:00 MEZ; Arrowhead Stadium Kansas City; TV: ESPN America
Letztes Spiel: 13. September 2009: BAL-KC 38:24
Letztes Spiel im Arrowhead Stadium: 10. Dezember 2006: KC-BAL 10:20

Die Ravens gehen zum dritten Mal in Folge unter head coach John Harbraugh in die Playoffs. Quarterback Joe Flacco schreibt kleine Geschichte, indem er zum erst fünften Spielmacher der NFL avanciert, der in seinen ersten drei Saisonen die Playoffs erreicht. Die anderen vier sind die Hall Of Famer Otto Graham, Pat Haden, Bernie Kosar und Dan Marino. Die Offense der Ravens insgesamt ist wohl eher nicht das „key asset" des Klubs. Die Nummer 22 der NFL Offense Statistiken verlässt sich auf seine starke Defensive.

Vieles spricht für Baltimore in diesem Spiel. Mehr Siege im Grunddurchgang (12-4 vs. 10-6), ein klar besserer record in den Playoffs (8-5 vs. 8-13) und: Ray Lewis. Der mittlerweile bereits 35-jährige linebacker auf der inside Position, ist nicht nur der herausragende Spieler in Baltimores Defensive, sondern der Teamleader schlechthin. „Old school" Mentor für die junge Garde, Gallionsfigur und „fired up" Motivator - Ray Lewis steht für Baltimores Attitüde und Erfolge.

Sie kennen vielleicht die TV Werbung für ESPNs großartige Filmserie „30 for 30". „What if i tell you, you can heal all wounds with a fight song". Die Wunden waren tief, als die Baltimore Colts im März des Jahres 1983 mit den berühmten Mayflower Trucks die Stadt in einer Nacht- und Nebelaktion Richtung Indianapolis verließen. Erst 2001 verheilten sie endgültig, als die Baltimore Ravens die Super Bowl holten. Ray Lewis wurde damals zum wertvollsten Spieler gekürt.

Zurück ins Jahr 2011. So wie für die Ravens ihre dominante Verteidigung spricht, so liegen die stärken der Chiefs eindeutig bei ihrem Angriff. Vor allem die Lauf Offensive, jene die stärkste der Liga ist, gilt es für Baltimore erst mal zu stoppen, wenn sie Divisional Playoffs erleben wollen.

Bei Kansas hat der stärkste Aufwärtstrend in ihrer bisherigen Geschichte eingesetzt. Head coach Todd Haley übernahm ein 4-12 Team, konnten im ersten Jahr diese schlechten record lediglich halten, 2010 drehten die Chiefs die Division aber völlig um. Vom letzten Rang 2009 zum Gewinner der AFC West 2010.

Neben dem zweiköpfigen Laufmonster (Jamaal Charles und Thomas Jones), verfügt Kansas mit Matt Cassel über einen soliden Spielmacher und mit Dwayne Bowe noch dazu über einen Top 10 receiver. Defensiv befindet man sich im vorderen Mittelfeld der Liga.

  • NFC Wild Card

Seattle Seahawks (#4) - New Orleans Saints (#5)
Samstag 8. Jänner, 22:30 MEZ; Q-West Field Seattle; TV: ESPN America
Letztes Spiel: 21.11.2010: NO-SEA 34:19
Letztes Spiel am Qwest Field: 14. Oktober 2007: SEA-NO 28:17

Es gibt in Playoffs also keine Favoriten? Nun, in dem Fall können die Saints die Rolle nur schwer abgeben. Der regierende Champion trifft auf das erste Team in der NFL Geschichte, welches mit einem negativen Sieg-Niederlage Verhältnis seine Division gewonnen hat und damit verbunden auch das Heimrecht in der Runde hat.

Es gibt allerdings Indikatoren, die auch für Seattle sprechen. Bei den Saints wird mit Pierre Thomas und Chris Ivory quasi das komplette Laufspiel fehlen. Alles blickt zu Reggie Bush, dem in diesem Spiel vermutlich (zusammen mit Ex-Seahawk Julius Jones) eine im wahrsten Sinn des Wortes tragende Rolle zukommen wird. Auf Seiten der Seahawks kehrt quarterback Matt Hasselbeck nach einer Verletzungspause zurück. Sein Ersatzmann Charlie Whitehurst führte das Team mit einem Sieg über St. Louis in der letzten Runde in die Playoffs. In den zweieinhalb Spielen während Hasselbecks Absenz warf Whitehurst zu zwei touchdowns und drei interceptions. Die Entscheidung von head coach Pete Carroll zu Hasselbeck zurückzukehren ist daher vermutlich auch richtig, wobei der mit zwölf touchdowns und 17 interceptions nicht wesentlich besser aussah, jedoch Playoff-Erfahrung mitbringt.

Das Stadion in Seattle ist eines der lautesten der NFL. Die Stahlkonstruktion ermöglicht es den Seahawks Fans mit Treten und Hämmern gegen die Träger zusätzliche Dezibel aufs Feld runter zu schicken. Auswärtsspiele bei Seattle zählen daher zu den Unangenehmsten überhaupt. Man spielt auf einem Rollfeld in der Antarktis.

Um das Schweinchen ein weiteres Mal zu bemühen: Die Gefahr, dass die Saints die Seahawks unterschätzen, die ist auch gegeben. Selbst wenn es zig Dementis davor gegeben hat, wie ernst man das von Seiten New Orleans nimmt, bleibt noch immer, dass Seattle heuer eigentlich durchgehend schlecht aussah. Die (gefährliche) Ausnahme: In Woche 6 schlugen sie am 17. Oktober des Vorjahres in Chicago die Bears mit 23:20.

In der Gesamtbilanz der beiden Kontrahenten führt New Orleans mit 6-5. Die Saints haben sowohl das letzte Spiel gegeneinander (21. November 2010 im Supderdome - 34:19), als auch das letzte im Stadion der Seahawks (14. Oktober 2007 - 17:28) für sich entscheiden können.

  • NFC Wild Card

Philadelphia Eagles (#3) - Green Bay Packers (#6)
Sonntag 9. Jänner, 22:30 MEZ; Lincoln Financial Field Philadelphia; TV: ESPN America, PULS 4
Letztes Spiel: 12. September 2010: PHI-GB 20:27

Das wohl mit am meisten Spannung erwartet Wild Card Duell. Die Philadelphia Eagles haben mit Michael Vick den vielleicht nicht besten NFL-Spielmacher, dafür aber mit Sicherheit den Spektakulärsten. Dabei war Kollege Kevin Kolb zu Saisonbeginn noch der Starter, der sich im ersten Spiel (eben dieses!) verletzte, danach kam Vick, der wiederum von Kolb abgelöst wurde. Bis danach der Mann, der in den vergangen Jahren als Tierquäler und „dogkiller" auch für viele negative Schlagzeilen sorgte, das Ruder in Philly übernahm.

So interessant für die Medien die Vick-Dogstory ist, so wenig regt sie seine Mit- und Gegenspieler heute mehr auf. „Player X", ein unter dem Pseudonym schreibender NFL-Spieler, berichtet darüber im aktuellen ESPN Magazin. Die Sache war ein Thema als sie damals passierte, heute kümmert man sich als Gegner nur mehr um eines: Wie stoppe ich Michael Vick?

Mit einem rating von 100.2 ist Vick der am Papier viertstärkste quarterback der Liga. In zwölf Spielen war er Starter. 3694 offense yards bei 30 touchdowns und lediglich sechs interceptions und drei lost fumbles sind eingetragen.

Aber nicht nur Vick sorgt für Glanzlichter. Wide receiver und returner DeSean Jackson, der gerne mit der goal line flirtet (Video: http://www.youtube.com/watch?v=n-NC2w0cFEs ), ist ein Ass im Ärmel der zweitbesten Offense der Liga, die auch mit ihren special teams Gegner zur Verzweiflung bringen können.

Wie man Philly knackt, das sollten die Packers noch wissen, denn sie gewannen im September zum Saisonauftakt im Stadion der Eagles 27:20. Falls sie es vergessen hätten, können sie bei Minnesota und Dallas nachfragen. Die Vikings und die Cowboys fügten den Eagles in den letzten beiden Runden überraschende Niederlagen zu.

Green Bay wäre wiederum das gute Beispiel für Minnesota, wie man trotz Verletzungssorgen vorne dabei bleibt. Mit runningback Ryan Grant und tight end Jermichael Finley mussten die Packers zwei ihrer offensiven Hoffnungsträger vorgeben. Grant beendete seine Saison schon im Auftaktspiel gegen die Eagles, Finley fehlt seit Woche 5. Auch quarterback Aaron Rodgers fiel für zwei Spiele verletzungsbedingt aus, mit Matt Flynn als Starter unterlagen sie Detroit und New England. In Woche 16 kam Rodgers zurück. Zuerst deklassierten die Packers die New York Giants und am vergangenen Wochenende löste man mit einem knappen Sieg über Chicago das Wild Card Ticket.

Mit der neuntbesten Offense und fünftbesten Defense (Hallo Sackmaster Clay Matthews) bei Green Bay und Philadelphia (#2 Offense, #12 Defense) steht sich bei dem Spiel das ausgeglichenste Pärchen der Wild Card Runde gegenüber.

In der Gesamtbilanz führen die Packers mit 24-13, die Eagles gewannen jedoch vier der letzten sechs direkten Begegnungen.

Live auf PULS 4
Am Schluss noch Werbung in eigener Sache. Dieses Spiel wird von FOX übertragen (Joe Buck, Troy Aikman). In Österreich wird es auf ESPN America und PULS 4 ausgestrahlt. Ab 22 Uhr begrüßt Christian Nehiba im PULS 4 Studio mit Tobias Oberzeller (KICK OFF), Nationalteamspieler Christoph Schreiner (Graz Giants) und dem Referee Bojan Savicevic eine dreiköpfige Expertenrunde. Das Spiel selbst kommentieren Michael Eschlböck und meine Wenigkeit. Wir freuen uns natürlich sehr, wenn sie bei uns Sonntagabend dabei sein wollten. Wir lesen uns dann wieder in der kommenden Woche. (Walter Reiterer; 7. Jänner 2011)