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ÖBB-Chef will abgelaufene Rückfahrtickets bis Ende Jänner straffrei stellen.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Fahrgäste, deren Retourticket abgelaufen ist, sollen ohne Strafe davonkommen.

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Wien - Angesichts des heute, Samstag, und Sonntag erwarteten Fahrgastansturms am Weihnachtsferienende liegen in der ÖBB die Nerven blank. Grund dafür sind zahlreiche, per Fahrplanwechsel am 12. Dezember verordnete Änderungen im Tarifschema der ÖBB-Personenverkehr-AG. Sie brachten auch einige - aus Sicht betroffener Fahrgäste und von Fahrgastvertretern - Verschlechterungen bei einigen Services mit sich, insbesondere die in aller Stille verordnete Einschränkung der Gültigkeitsdauer für kombinierte Hin- und Rückfahrtickets (H+R-Tickets).

Letztere wurde, wie vom Standard aufgedeckt, massiv gekürzt und beträgt - anders als von der ÖBB selbst in den vergangenen Tagen verbreitet - für die Rückfahrt nur mehr zwei Tage statt eines Monats (ab einer Entfernung von 101 Kilometern). Um die Maßnahme sanktionieren und die Gültigkeitsdauer festlegen zu können, muss der Fahrgast beim Kauf des Kombi-Tickets das Datum seiner Rückreise angeben. Fährt er - aus welchem Grund auch immer - früher oder drei Tage später, gilt sein H+R-Ticket nicht, das Geld ist weg, und er muss eine neue Einzelfahrkarte lösen.

Laut gut informierten ÖBB-Quellen will ÖBB-Holding-Chef Christian Kern, der nach Bekanntwerden der Causa Reparaturmaßnahmen innerhalb des ersten Quartals angekündigt hat, nun sofort eingreifen in das vom Personenverkehr ausgeheckte Tarifschema. Die Strafbarkeit bei Verstößen soll zumindest im Jänner ausgesetzt werden, um in der winterlichen Hauptreisezeit kein weiteres Chaos zu produzieren. Selbiges wurde auch bei den schaffnerlosen Selbstbedienungsstrecken im Nahverkehr praktiziert. Auch hier werden Fahrgäste, die vom Kontrollor ohne Fahrschein erwischt werden, nicht sofort zur Zahlung von Bußgeld verdonnert, sondern lediglich zum Kauf eines Tickets - obwohl Zugbegleiter nur mehr Tickets kontrollieren und Strafgeld kassieren dürfen, nicht aber das Fahrgeld.

Kerns Problem bei der Schonfrist: Seit der Bahnreform 2003 kann der ÖBB-Holding-Chef in das operative Geschäft der ÖBB-Töchter nicht eingreifen. Der Vorstand der ÖBB-Personenverkehr AG ist weisungsfrei. Zudem ist Tarifierung ein hochsensibles Thema. Dienstanweisungen an hunderte Zugbegleiter sind dem Holding-Chef also nicht möglich. Kern kann diesbezüglich lediglich in seiner Funktion als Aufsichtsratschef des Personenverkehrs (PV) auf die - pikanterweise im Weihnachtsurlaub weilende - PV-Führung einwirken.

Die Zeit drängt. Kommt eine Dienstanweisung, laut der die Zugbegleiter die Fahrgäste schonen sollen, ist selbige an sämtliche Dienststellen zu übermitteln. Bei Redaktionsschluss war die Entscheidung noch nicht offiziell, aber bereits auf Schiene.

Detail am Rande: Über die nun für Kritik sorgenden Änderungen waren hunderte Schaffner im Dezember nur mangelhaft informiert worden. Manche Vorschriften seien lediglich per SMS übermittelt worden, berichten entnervte Zugbegleiter. Schulungen, heißt es in hohen ÖBB-Kreisen, seien ungenügend gewesen.

Beschlossen wurden die von Stammkunden als Verschlechterung empfundenen Änderungen übrigens bereits im März 2010, also noch unter Kerns Vorgänger Peter Klugar. Aufsichtsratschef des ÖBB-Personenverkehrs war damals ÖBB-Holding-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker. Kernthemen wie Fahrplanwechsel und Tarifwechsel seien damals nie kritisch diskutiert worden, weil dies Aufgabe des Vorstands sei. Erst Ex-SBB-Personenverkehr-Chef Paul Blumenthal lege als Aufsichtsratsmitglied und ÖBB-Konsulent die Finger in Wunden wie diese. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD-Printausgabe, 8./9.1.2011)