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Wildpferde aus der Camargue wurden auf Mallorca erfolgreich angesiedelt und können im Naturpark s'Albufera bestaunt werden.

Foto: AP/Heribert Proepper

Es ist fast wie in einem Film. Erwartungsvoll sitzen wir in der kleinen Beobachtungskabine und starren durch unsere Ferngläser auf die Schilfwand, die da draußen vor uns die Lagune umgibt.

Werden sie kommen, haben wir Glück und können sie sehen? Dann geschieht es plötzlich. Ganz langsam werden die Schilfhalme auseinandergeschoben, ein weißer Pferdekopf wird sichtbar. Das Tier verharrt einen Moment, sichert nach allen Seiten. Aber es gibt wohl nichts, was es beunruhigen könnte. Und so kommt der kleine Schimmel heraus, beginnt auf dem schmalen Ufersaum zwischen Lagune und Schilf zu äsen, zwei, drei andere Pferdchen kommen ihm nach, und alsbald ist ein ganzer Trupp von weißen Wildpferden aus den Sümpfen der s'Albufera im Osten Mallorcas vor uns zu sehen.

Autos sind tabu

Wildpferde auf Mallorca, bei dieser Behauptung schütteln selbst erfahrene Kenner der Insel oft den Kopf. Ihre Existenz ist vielen Mallorca-Fans ebenso unbekannt wie die Landschaft s'Albufera selbst, wo diese Tiere vor einigen Jahren angesiedelt wurden. Aus der Camargue, der Sumpflandschaft im Rhône-Delta in Südfrankreich, sind sie gekommen und gehören heute zu den besonderen Attraktionen eines Naturparks, der unendlich weit weg ist vom Ballermann.

Ein unscheinbarer Parkplatz an der Straße von Can Picafort nach Alcúdia an der Ostküste der Insel, unmittelbar gegenüber einigen großen modernen Ferienhotels, ist schon alles, was im Vorbeifahren auf dieses einzigartige Naturparadies aufmerksam macht. Dieses Geheimnis zu erforschen, bedarf es keiner großen Anstrengungen. Ein paar Stunden zu Fuß zu laufen oder etliche Kilometer mit dem Rad zu fahren ist alles. Autos sind in der s'Albufera absolut tabu.

Vom Reisfeld zum Naturpark

Hinter dem Namen s'Albufera verbirgt sich das größte Feuchtgebiet der gesamten Baleareninseln. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich hier eine große, vom Meer durch eine Dünenkette getrennte Lagune mit Sedimenten gefüllt, wurde zur Sumpflandschaft, zu einer weiten von Süßwasser geprägten Ebene.

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten haben die Mallorquiner in diesen Sümpfen Reis angebaut, bis diese Form der Landwirtschaft angesichts des stetig wachsenden Fremdenverkehrs auch hier im Osten von Mallorca unrentabel wurde.

Die Balearenregierung kaufte zunächst rund 800 Hektar Sumpfland auf und machte es zum Naturschutzgebiet, das wenige Jahre später umfangreich erweitert wurde und heute mit einer Fläche von fast 2000 Hektar der interessanteste Naturpark der Insel ist.

Rund 400 Kilometer Kanäle durchziehen ihn, links und rechts schimmern große und kleine Lagunen, die von vielen Arten von Wasservögeln bevölkert sind. An anderer Stelle, wo das Wasser nur sehr seicht ist, waten hochbeinige Stelzvögel, Strandläufer und Kampfläufer, Seidenreiher oder große Purpurreiher und suchen nach Nahrung. An den Kanälen flitzen bunte Bienenfresser wie leuchtende Edelsteine hin und her, und in den Tamariskenbüschen kann man die seltenen Tamariskensänger beobachten.

Vielstimmiges Vogelkonzert

Jeden Spätnachmittag kommen Eingeweihte, vor allem Vogelfreunde, in die s'Albufera. Wenn die tiefstehende Sonne sich in den Tümpeln, Lagunen und Kanälen spiegelt, wenn die Mücken zwischen den Schilfhalmen tanzen und der Abendwind die Gerüche des Südens aus dem Inselinneren herüber trägt, ist ein vielstimmiges Vogelkonzert zu hören, können von Beobachtungskabinen aus vor allem die Wasservögel beobachtet werden.

Dutzende von Kilometern ziehen sich befestigte Wege durch das Sumpfland, auf ihnen können Wanderer und Radfahrer das Naturparadies erleben, manche dieser Wege, mitunter sind es nur Pfade, die sich durch das Buschwerk schlängeln, sind allerdings ausschließlich den Fußgängern vorbehalten.

Zunächst heißt es, eine Viertelstunde zu laufen, bis man das Informationszentrum des Parks erreicht. Hier muss jeder eine Besuchsgenehmigung erwerben, die allerdings kostenlos ausgehändigt wird. Wer im Park ohne eine solche Genehmigung angetroffen wird, muss das Gelände sofort verlassen. Im Informationszentrum kann man sich anhand großer Schautafeln einen ersten Überblick über die hier lebenden Vögel und anderen Tiere und die oft sehr komplexen Zusammenhänge der einzelnen Biotope in solch einem Feuchtgebiet machen.

Fünf Stunden Rundwanderung

Rundwanderwege von unterschiedlicher Länge, von einer Dauer von einer bis zu fünf Stunden, sind dann im Gelände zuverlässig ausgeschildert. Sie führen immer wieder zu einer der zahlreichen Beobachtungshütten, die an besonders interessanten Stellen errichtet sind.

Rund 200 verschiedene Vogelarten, mehr als 30 verschiedene Arten von Schmetterlingen oder die Sumpfschildkröten, die hier noch ein ungestörtes Zuhause haben, und natürlich die scheuen weißen Wildpferde können hier beobachtet werden. (Christoph Wendt/DER STANDARD/Printausgabe/08.01.2011)

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