Edith Ploss ist Pionierin. Sie ist Vorarlbergs einzige selbstständige Sozialarbeiterin. Über die Herausforderungen auf ihrem Weg zur mobilen Seniorenberatung sprach sie mit Jutta Berger.

"Wenn ich einer Kundin oder einem Kunden gegenübersitze und spüre, wie sich dieser Mensch öffnet, endlich all die Fragen auf den Tisch kommen, die ihn schon so lange beschäftigen, dann weiß ich, dass ich mit der mobilen Seniorenberatung die richtige Idee hatte. Die Menschen wollen nicht von einer Stelle zur anderen, von einem Amt zum anderen geschickt werden. Deshalb komme ich zu ihnen nach Hause. In ihrer gewohnten Umgebung fassen sie schneller Vertrauen. Im Moment umfasst mein Katalog 44 Beratungsthemen in vier Gruppen: Finanzielles, Rechtliches, Alltagsentlastung, Isolationsprophylaxe. Häufig geht es um Pflegegeld, Pflegehilfen, Vorsorgevollmacht, Erb- und Finanzierungsfragen. Zur Unterstützung habe ich ein Expertennetzwerk im Hintergrund. Ich berate Senioren, aber auch Menschen mit oder nach schweren Erkrankungen. Angerufen werde ich in den meisten Fällen von den pflegenden Angehörigen.

Seit drei Jahren bin ich selbstständig. Meine damalige Arbeitsstelle wurde eingespart, ich war arbeitslos, habe viele Bewerbungen geschrieben. Immer wieder hieß es: 'zu alt' oder 'überqualifiziert'. Ich bin diplomierte Sozialarbeiterin mit langjähriger Erfahrung in der Gemeinwesenarbeit, habe eine kaufmännische Grundausbildung, Weiterbildung in Montessoripädagogik, Projektmanagement, momentan mache ich die Mediatorenausbildung.

Damals stand ich vor der Alternative: Notstandshilfe oder das Projekt Arbeit in die Hand nehmen und gestalten. Ich habe beschlossen, es mit der Selbstständigkeit in einem neuen Bereich zu probieren. Da war aber ein großes Fragezeichen: Wo finde ich die richtige Beratung für den Start? In der Wirtschaftskammer war selbstständige Sozialarbeit Neuland, eine ziemliche Herausforderung für meinen Berater!

Ich bin nach wie vor die einzige Sozialarbeiterin in Vorarlberg, die Beratung auf Honorarbasis abrechnet, also keinen Vertragspartner hat, der mit dem Land abrechnet – abgesehen von einem Pilotprojekt, das ich mit einer Gemeinde und der Landesregierung mache, da können bis zu zwei Stunden Beratung pro Senior über Schecks abgerechnet werden. 60 Minuten kosten bei mir 70 Euro plus Fahrtkosten. Zurzeit entwickle ich Pauschalpakete. Ein Beratungsgespräch dauert circa zwei Stunden, dazu kommt die Nacharbeit im Büro. Im Gegensatz zu Organisationen im Sozialbereich bin ich nicht umsatzsteuerbefreit. Komme ich über die Umsatzsteuergrenze, wird das Honorar um 20 Prozent höher. Um da eine Lösung zu finden, brauche ich noch Beratung. Im Moment habe ich noch eine befristete Halbtagsanstellung bei der Caritas. Das hat den Vorteil, dass ich als Selbstständige die Sozialversicherung nur anteilig zahlen muss. Anfänglich war es eine Herausforderung, beide Jobs zur Zufriedenheit aller zu vereinen. Aber es ist machbar, und um leben zu können, auch notwendig.

Die Selbstständigkeit möchte ich nicht aufgeben, auch wenn ich sehr viel arbeite. Je länger ich selbstständig bin, umso kreativer werde ich, entdecke neue Beratungsthemen und Bedürfnisse. Kunden schätzen mein Fachwissen und meine Zuverlässigkeit und sagen mir das auch. Das hat sich zu Weihnachten gezeigt – durch viele rührende Karten und Briefe." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.1.2011)