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Vor sechs Jahren verbrannte Oury Jalloh in seiner Zelle: Sein Fall wird neu aufgerollt.

Foto: EPA/JENS WOLF

Leipzig - Warum musste Oury Jalloh sterben? Die Umstände, die vor sechs Jahren zum grausamen Feuertod des Asylbewerbers aus Sierra Leone in einer Polizeizelle führten, beschäftigen erneut die deutsche Justiz. Vor dem Landgericht Magdeburg wird am kommenden Mittwoch der Prozess gegen einen Polizisten neu aufgerollt.

Der Beamte war im Dezember 2008 vom Landgericht Dessau vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden - diesen Freispruch hob der Bundesgerichtshof (BGH) vor einem Jahr wieder auf. Die Richter in Magdeburg müssen sich deshalb erneut mit der Frage befassen, ob der Polizist eine Mitschuld am Tod des Asylbewerbers trägt.

Ablauf ungeklärt

Was genau auf der Polizeiwache in Dessau an jenem 7. Jänner 2005 geschah, ist immer noch größtenteils ungeklärt. Jalloh war festgenommen worden, weil sich Frauen von dem alkoholisierten Mann belästigt fühlten. Weil er sich den Beamten nach deren Angaben widersetzte, wurde er in einer Gewahrsamszelle an eine Pritsche gefesselt - später ging die Matratze, auf der er lag, in Flammen auf. Trotz der Fesselung an Händen und Füßen soll er mit einem Feuerzeug den Brand selbst ausgelöst haben. Jalloh starb binnen zwei Minuten durch die heißen Rauchgase an einem sogenannten Inhalationshitzeschock.

Das Landgericht Dessau versuchte in einem zähen, fast 60 Tage währenden Verfahren, die genauen Abläufe an jenem Jännertag aufzuklären, was nicht restlos gelang. Der Prozess endete mit Freisprüchen für den angeklagten Dienstgruppenleiter des Polizeireviers und einen weiteren Beamten. Nach Auffassung des Gerichts konnte ihnen keine Mitschuld am Tod von Jalloh nachgewiesen werden. Richter Manfred Steinhoff sprach von einem gescheiterten Verfahren und bezichtigte Polizeibeamte, die als Zeugen ausgesagt hatten, der Falschaussage. Das Urteil sorgte für Empörung und heftige Proteste.

Laut BGH "zu viele Fragen ungeklärt"

Nach Revision von Staatsanwaltschaft und Nebenklage hob der BGH den Freispruch gegen den angeklagten Dienstgruppenleiter Andreas S. auf. Zu viele Fragen seien ungeklärt, befand der BGH und verwies auf Lücken in der Beweiskette. So sei unklar, wie es dem gefesselten Jalloh möglich gewesen sein soll, den Bezug seiner Matratze mit einem Feuerzeug anzuschmoren, ohne sich die Hand zu verbrennen und Schmerzenslaute von sich zu geben. Dies aber, so der BGH, hätte der Polizist über die Gegensprechanlage hören müssen.

Der BGH kritisierte überdies, dass das Dessauer Landgericht dem Polizisten ein "pflichtgemäßes Verhalten" zubilligte, obwohl dieser den Alarm zunächst abschaltete, dann mit seinem Vorgesetzten telefonierte und auf dem Weg zur Zelle nochmals umkehrte, weil er den Schlüssel für die Fußfessel vergessen hatte.

21 Verhandlungstage geplant

Eine wichtige Rolle im Verfahren vor dem Landgericht Magdeburg wird daher unter anderem die Frage spielen, wann der Rauchmelder in der Zelle ansprang und ob der angeklagte Polizist danach Jallohs Tod hätte verhindern können. Für den Prozess, der unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, sind zunächst 21 Verhandlungstage bis Ende Mai terminiert.

Initiativen zum Gedenken an den Tod von Oury Jalloh, Menschenrechtler und nicht zuletzt die Hinterbliebenen hoffen, dass durch den Prozess in Magdeburg doch noch Licht in das Dunkel kommt. Wie schon in Dessau wollen sie das Verfahren auch diesmal kritisch beobachten. Für Mittwoch ist eine Mahnwache vor dem Gericht geplant. Bereits an diesem Freitag erinnerten in Dessau zahlreiche Bürger auf einer Gedenkveranstaltung an den Tod von Oury Jalloh vor sechs Jahren. (APA/AFP)