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Zurück zum Absender: ein Polizist bewirft Demonstranten mit Steinen

Foto: Reuters/Farouk Batiche

Tunis/Paris - In Tunesien weiten sich die sozialen Unruhen ungeachtet verschärfter Repressionsmaßnahmen des Regimes ständig aus. Ausgelöst wurden die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften durch die Selbstverbrennung eines verzweifelten Hochschulabsolventen. Nach den Rechtsanwälten haben für Freitag auch die Lehrer zu Streiks aufgerufen. In Frankreich, der Schweiz und Kanada haben Solidaritätskundgebungen von Auslands-Tunesiern in mehreren Städten, darunter Paris, Marseille, Lyon, Genf und Montreal, stattgefunden.

Zugleich mehrt sich die Kritik an der Zensur der Regierung in Tunis. Die internationale Organisation für die Verteidigung der Pressefreiheit "Reporter ohne Grenzen" (RSF) protestiert gegen die Festnahme von mindestens vier Bloggern. Die Pariser Zeitung "Le Monde" kritisiert, dass die tunesischen Behörden die Einreise ihrer Korrespondentin verhindert haben. Als "mafiaähnlich" beurteilt die US-Botschaft in Tunesien laut WikiLeaks das Herrschaftssystem des seit 23 Jahren autoritär regierenden und vom Westen gehätschelten Staatschefs Zine el Abidine Ben Ali.

Unmittelbarer Auslöser der jüngsten Proteste war die Verzweiflungstat eines Hochschulabsolventen, der sich als Obst- und Gemüsehändler durchschlug. Die Behörden hatten ihm mehrfach die Waren konfisziert, weil er keine Lizenz hatte. Mitte Dezember übergoss er sich auf dem Marktplatz der Stadt Sidi Bouzid mit Benzin und zündete sich an. Vor einigen Tagen erlag er seinen Verletzungen. Seitdem kommt es immer wieder zu Streiks und Demonstrationen, bei denen bisher mindestens zwei Menschen getötet wurden. Die Protestwelle gegen das autokratische Regime wurde in erster Linie von arbeitslosen Studienabgängern in Gang gesetzt. Am Donnerstag legten die Anwälte die Arbeit nieder. Mit dem lückenlos befolgten Streik protestierten sie gegen die Unterdrückung einer Solidaritätskundgebung für Arbeitslose, sowie gegen Folter und Korruption. Während einer Protestkundgebung gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit hatte die Polizei in der Stadt Menzel Bouzayane das Feuer auf Demonstranten eröffnet.

Als "mafiaähnlich" sieht die US-Botschaft in Tunesien das Regime Ben Ali. Unter dem Vorwand, gegen islamischen Extremismus anzubekämpfen, würden in dem nordafrikanischen Land Medien, Gewerkschaften und Opposition rücksichtslos unterdrückt, berichtete "Le Monde" am Freitag unter Berufung auf die von WikiLeaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen. "Die Kundgebungen der letzten Wochen sind keine Überraschung in Tunesien, wo die Partei des Präsidenten absolut alles kontrolliert und der Unzufriedenheit nicht den geringsten Raum lässt. Das Regime Ben Ali wird dabei von ganz Europa unterstützt. Dieser korrupte Familienclan hat die Wirtschaft im Griff und setzt den Staat als Instrument seiner persönlichen Bereicherung ein. Frankreich und die übrigen großen EU-Länder schweigen dazu. Dabei wäre es höchste Zeit für eine dringende Warnung an Ben Ali", schreibt "Le Monde".

Im Nachbarland Algerien dauern unterdessen die Proteste gegen hohe Lebensmittelpreise an. Nach Angaben von Augenzeugen wurden in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen In mehreren Vierteln der Hauptstadt Algier, aber auch in anderen Städten des Landes sei es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen, berichteten algerische Medien am Freitag. Aufgebrachte junge Leute errichteten Straßensperren aus brennenden Reifen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mehrere Geschäfte wurden verwüsten. Auslöser waren die jüngsten Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Zucker. Nach Informationen der Website algerie-focus.com erwägt die Regierung, den Zugang zum Internet sperren zu lassen. Sie habe zudem die Telefonanbieter aufgefordert, Telefonate und den Versand von SMS einzuschränken, um Aufrufe zum Protest zu verhindern. (APA/dpa/AFP)