Hall/Innsbruck - Die Bergung der 220 Leichen aus einem NS-Gräberfeld auf dem Areal der Psychiatrie des Landeskrankenhauses in Hall in Tirol soll im März im Rahmen eines für zwei Jahre angesetzten Projektes starten. Ein wesentliches Ziel sei dabei die Identifizierung der Leichen und die Klärung Todesursache, kündigten Vertreter des Krankenanstaltenbetreibers Tilak und Historiker in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Hall am Dienstag an.

"Wir können jetzt schon davon ausgehen, dass nicht alle Toten Opfer der NS-Euthanasie waren", erklärte Oliver Seifert, Historiker des Landeskrankenhauses, bei der Pressekonferenz. Mindestens 360 Menschen seien von der Psychiatrie in Hall zu Tötungsanstalten gebracht worden. Nach der Einstellung des offiziellen "Programmes" im August 1941 seien Tötungen in einzelnen Anstalten durch Vernachlässigung, Unterversorgung, Unterernährung sowie Überdosierung von Medikamenten erfolgt. Die Frage, ob auch Hall davon betroffen war, soll im Projekt geklärt werden.

Pläne für eine Euthanasiestation

"Möglicherweise wurde der Anstaltsfriedhof in Hall im Oktober 1942 angelegt, da es zu diesem Zeitpunkt Planungen gab, in Hall selbst eine Euthanasiestation einzurichten. Für die letzten Kriegsjahre ist jedenfalls ein markanter Anstieg der Sterbefälle in der Haller Anstalt festzustellen", erklärte der stellvertretende ärztliche Direktor des LKH-Hall, Christian Haring. Allein im März 1945 seien über 30 Patienten gestorben.

Von dem Friedhof habe man gewusst, ihn aber nicht in Verbindung mit der NS-Zeit gebracht, sagte Haring. Erst als das Gräberverzeichnis gefunden wurde, wurde der Zusammenhang klar. Das Verzeichnis enthalte verschiedene Informationen, die den Verdacht nahelegen würden, dass auf dem Friedhof auch Opfer der NS-Euthanasieprogramme bestattet worden seien. "Etwa zur gleichen Zeit startete die Planung eines Bauprojekts auf dem Areal der Psychiatrie. Bald wurde klar, dass sich der Friedhof dort befinden dürfte, wo gebaut werden soll", sagte Historiker Seifert.

Nach der Identifikation der Leichen wollen die Verantwortlichen Angehörige ausforschen und mit ihnen gemeinsam weitere Schritte absprechen. Dann soll auch geklärt, ob es rechtliche Ansprüche der Hinterbliebenen gibt. Dies sei derzeit noch nicht klar, meinte der kaufmännische Direktor des LKH-Hall, Wolfgang Markl. (red/APA)