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Mosche Katzav nach der Urteilsverkündung

Foto: AP/Oded Balilty

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Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Frauen: Sexuelle Gewalt sei weit verbreitet, Katzav nicht der einzige Täter.

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Mit kaum hörbarer, manchmal gelangweilter Stimme verlas Richter George Kara 80 Minuten lang die Begründung. Umso explosiver und klarer war das Urteil: Mosche Katzav ist ein Gewaltverbrecher, er hat alle Sexualstraftaten, die die Anklage ihm vorwirft, begangen, insbesondere zwei Vergewaltigungen. Im engen Saal im sechsten Stock des Tel Aviver Distriktsgerichts lehnte der 65-jährige Ex-Präsident mit verschrecktem Gesicht an der Holzwand, zuweilen schüttelte er mit einem sauren Lächeln den Kopf, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Von der Straße tönte der Lärm einer kleinen Demonstration herauf: "Katzav, Katzav ins Gefängnis, und zwar jetzt", rief ein Sprechchor.

Im Vorfeld hatten viele damit gerechnet, dass Katzav vielleicht bloß in den weniger schlimmen Punkten schuldig gesprochen würde, etwa der sexuellen Belästigung. Der langgediente Likud-Politiker hatte immer behauptet, er habe mit keiner der vielen Mitarbeiterinnen, die ihn belasteten, auch nur ein Verhältnis gehabt.

Doch die Richter bezeichneten Katzavs Versionen als "erlogen" und "manipulativ", während die Angaben der Zeuginnen "absolut glaubwürdig" gewesen seien. Seine Mitarbeiterin "A" habe Katzav 1998, als er Tourismusminister war, zweimal vergewaltigt: einmal in seiner Kanzlei in Tel Aviv und einmal im Jerusalemer Plaza-Hotel. Die Frau habe ihn zurückgestoßen, doch er habe ihr mit Gewalt die Hosen abgestreift. Aus seiner Zeit als Präsident seien unzüchtige Handlungen gegenüber zwei anderen Frauen erwiesen. Anhand vieler kriminalistischer Details, etwa Hotelrechnungen oder aufgezeichneter Uhrzeiten von Telefonaten, begründeten die Richter, warum die Erklärungen des Angeklagten nicht plausibel seien.

"Bestmögliches Urteil"

Es sei "das schlimmste mögliche Urteil für Katzav, aber das bestmögliche für Israels Demokratie und Justizapparat", meinte der Rechtsexperte Mosche Negbi, denn es zeige, "dass vor dem Gesetz alle gleich sind". Für Miriam Schler, die in einem Tel Aviver Zentrum vergewaltigte Frauen betreut, war es "kein glücklicher Tag, weil der Staatspräsident wegen sehr, sehr schwerer Taten verurteilt wurde, aber ein bedeutendes Signal an alle Vergewaltigungsopfer".

Katzav blieb auf freiem Fuß, das Strafausmaß, das bis zu 16 Jahren Haft reichen kann, dürfte im Jänner verkündet werden. "Die Richter haben jetzt keine Wahl und müssen eine langjährige unbedingte Haftstrafe verhängen", schätzt der prominente Strafverteidiger Uri Keinan. "Aber der Fall ist noch lange nicht abgeschlossen, es wird sicher Berufung eingelegt." Boas Katzav, der Sohn des Angeklagten, meinte, die Richter seien von den Medien beeinflusst gewesen und hätten "nach ihrem Gefühl" entschieden: "Wir sind weiterhin stolz auf unseren Vater, er ist unschuldig." (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2010)