Sie könnten sich als Folgeprodukt der Finanzkrise in die Fernsehgeschichte einschreiben: Realitydokus und Dokusoaps. Menschen bei alltäglichen oder besonderen, jedenfalls "authentischen" Beschäftigungen zuzuschauen, hat sich als kosteneffizientes Sendeformat zu Sparzeiten bewährt. Zumal die Lust auf "Echtes" im Jahr elf nach Big Brother-Zeitrechnung nicht nachzulassen scheint. 2011 kündigt sich als Jahr der Dokusoaps an.

Jahr der Dokusoaps

Erstmals mischt auch der ORF mit: Anfang März mit dem "Doku-Event" Wettlauf zum Südpol. Schon ab 1. Februar möbelt im ORF Promi-Stylistin Barbara Reichard in Der Laden läuft Kleinunternehmen auf. "Reale" Situationen verfolgt danach das neue Reportagemagazin mit versteckter Kamera (Arbeitstitel: Eins - Die Reporter), etwa warum Frauen fürs Winterreifenwechseln mehr bezahlen müssen als Männer. Am 15. März sucht Eva Pölzl Anschluss für Alleinerzieher (Single mit Kind, 21.05 Uhr). Das Reportagemagazin rückt vor und konkurriert ab dann mit der ZiB 2. Das Bemühen um Imagewandel drückt sich bereits ab 8. Jänner im neuen Senderlogo "ORF Eins" aus.

ATV ist mit Dokusoaps und Reality-Dokus seit Jahren auf Schiene. Trashformate wie Saturday Night Fever oder Das Geschäft mit der Liebe gelten unter der jungen Zielgruppe als Kult, vermutlich gerade weil wohlerzogene Erwachsene darüber verächtlich die Nase rümpfen. Mehr Gelegenheit dazu versprechen Polizeieinsätze der Wega (10. Jänner), neue Folgen von Saturday Night Fever (11. 1.), Kuppelei in Schwer verliebt (9. 2.) und Finanzberatung in Die Schuldenfalle (21. 2.).

Puls 4 ließ eben über ein Dutzend Dokusoaps das Publikum abstimmen. "Genial" fanden Zuschauer die Mysterydoku Österreich X.

Katastrophen aller Art

Das mit diesen Genres Gesparte wird in Großproduktionen angelegt, 2011 gibt es wieder mehr davon: Das Zeppelin-Unglück Hindenburg (6./7. Februar, RTL und ORF) kostete zehn Millionen.

Ansonsten lässt sich ein Trend zu Katastrophen aller Art feststellen: Auf dem Schiff mit Der Untergang der Laconia (ARD, ORF, BBC), mit Super-GAU in Restrisiko (18. 1., Sat.1), mit bedrohlichen Zukunftsszenarien in 2030 - Aufstand der Jungen (11. 1., ZDF) und auf hoher See in Bermuda-Dreieck in der Nordsee (RTL). Private Tragödien widerfahren Veronica Ferres in Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis (Sat.1), Nadja Uhl schlägt sich in Dschungelkind (17. 2.) als Missionarin in West-Papua durch, unter der Regie von Roland Suso Richter (Mogadischu).

Casting bleibt beliebt: RTL kündigt X-Factor, Deutschland sucht den Superstar und Das Supertalent an und schickt Pseudopromis ab 14. Jänner erneut in den Dschungel. Mehr von Bauer sucht Frau auf ATV (ab Mai) und RTL. Günther Jauch lässt auf RTL Alt gegen Jung aufeinander los. Servus-TV soll an Showideen tüfteln. Der ORF steuert ab März wieder Dancing Stars bei, im Februar entscheidet sich per Castingshow, wer Österreich beim Song Contest im Mai vertritt.

Frischer Wind kommt in Talkshows: Der ORF bastelt an Zweierkonfrontationen, Sat.1 sucht für die Wiederbelebung von Talk im Turm weiter einen Moderator. Helmut Markwort und Hans-Werner Kilz fielen aus. Günther Jauch talkt ab Herbst in der ARD. Steffen Hallaschka, sein Nachfolger bei Stern-TV, übernimmt ab Jänner. Jauchs Wechsel löste in der ARD Schemabasteln aus: montags Frank Plasberg, mittwochs Anne Will, donnerstags Reinhold Beckmann vor, Sandra Maischberger bleibt der Dienstag. Harald Schmidt kehrt zu Sat.1 zurück.

Zu den Doku-Höhepunkten zählen 2011 Helene Maimanns Kreisky-Porträt (20. 1.) sowie fünf Teile über Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg, beide ORF. Servus TV startet Ende Jänner ein Monatsmagazin zum Weltraumteleskop Hubble.

Kulturprogramm mit moderatem Budget bietet ab April der neue ORF-Spartenkanal, als Sendername kursiert Artinfo.

Stoff für Fernsehjunkies

Fernsehjunkies freuen sich auf Edie Falco in Nurse Jackie (10. 1., ORF) und die ausgeflippten Teenager in Glee (16. 1., Super RTL). Erstklassiges Serienvergnügen versprechen weiters Drop Dead Diva (ORF), das Remake von Hawaii 5-0 (Sat.1), Intrigen mit Donald Sutherland in Dirty Sexy Money (ProSieben) sowie feurige Vampirkultur in True Blood, (RTL2 ab Februar). Serienspannung bietet der Abosender Sky: Martin Scorseses Boardwalk Empire (2. 2., TNT Serie) und die dritte Staffel von Breaking Bad warten.

Den Quotensieg fahren 2011 aber vermutlich "echte" Menschen ein: Die royalen Hochzeiten in Großbritannien und Monaco dürfen mit höchster Aufmerksamkeit rechnen. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 31.12.2010/1./2.1.2011)