Sir Stanley Spencers "Hilda and I" brachte dem Chicagoer Museum of Contemporary Art 1,67 Mio. Euro für den Akquisitions- Fonds.

Foto: Sotheby's

Das Museum of Modern Art (MoMa) in New York tut es, das Art Institute in Chicago ebenso wie das Hirshhorn Museum in Washington oder auch die Londoner Tate Modern: Sie alle verkaufen seit Jahren Kunstwerke aus ihren Beständen. Sehr zur Freude der damit beauftragten Vertreter der Auktionsbranche, schon weil solche Provenienz famos vermarktbar ist.

Erst im Dezember gelangten bei Christie's und Sotheby's einige solcher Kandidaten zur Auktion: Das Giorgia O'Keeffe Museum (Santa Fe / USA) ließ sich die Trennung von dem 1926 ausgeführten Canna Red and Orange (Christie's New York) mit 1,42 Millionen Dollar (1,09 Mio. Euro) versüßen. Via Sotheby's London stockten noch das Chicagoer Museum of Contemporary Art (Sir Stanley Spencer, Hilda and I, 1,67 Mio. Euro) oder das New Yorker MoMa (Reg Buttler, Girl, 114.025 Euro) ihre Ankaufsbudgets auf.

Kleingeld im Vergleich zu Größenordnungen wie jener des Liechtenstein Museums (2008 Christie's: 500 Positionen, rund acht Mio. Euro) oder den für 2011 angepeilten 15 Millionen Euro des Leopold Museums (rund 40 Blätter Egon Schieles) zur Refinanzierung des Wally-Kredites. Von solchem Spielgeld können öffentliche europäische Institutionen indes nur träumen. "Sollen Museen Kunst verkaufen dürfen?", lautet der Titel der im Herbst bei Ruffer & Rüb veröffentlichten Publikation, in der Herausgeber Dirk Boll neben historischen und rechtlichen Grundlagen auch die Haltungen von Sachkennern und emotionale Befindlichkeiten der Museumswelt versammelt.

In Österreich hat Deaccessioning, so der international gebräuchliche Terminus für die Bereinigung von Beständen, keine Tradition. Weniger aufgrund der Rechtslage, sondern weil es mehr oder weniger als Todsünde tabuisiert wird. Trotz notorischen Budgetmangels für Neuankäufe, der, so Urteilen manche Insider, lieber moniert wird, als solche Alternativen in Erwägung zu ziehen.

Weder erlaubt noch verboten

Entgegen der Annahme, das Bundesmuseen-Gesetz würde derlei Ambitionen in die Schranken weisen, tut es das genau genommen nicht. Der Verkauf von Kunstgegenständen wird schlicht nicht berücksichtigt, ist expressis verbis weder erlaubt noch verboten. Bis in die 60er- und 70er-Jahre standen beispielsweise in der Albertina immer wieder Verkäufe auf der Tagesordnung, über die der Ankauf von hochrangigen Impressionisten finanziert werden konnte. Derlei ist eher Geschichte als Zukunft, bestätigt Klaus-Albrecht Schröder, obwohl er solchen Verdichtungsprozessen, mit denen ja auch Privatsammler die Qualität ihrer Kollektion zu steigern pflegen, durchaus etwas abgewinnen kann. Mehr als seine Kollegen, die nahezu geschlossen gegen eine solche Ausverkaufspraxis wettern - ungeachtet dessen, dass auf diese Weise Sammlungsprofile geschärft und zeitgleich zweckgewidmetes Geld für künftige Ankäufe generiert werden könnte.

Ein verlockender Gedanke angesichts übervoller Depots mit "Ware", die ohnedies nie in der Öffentlichkeit zu sehen sein wird? Nicht für Schröder, solche Peanuts blockieren die Arbeit - wenn, dann sollte im substanziellen Terrain gefischt werden, um relevante Ankäufe tätigen zu können.

An einem Beispiel erklärt: Die Albertina ist im Besitz von nicht weniger als acht Draperiestudien von Albrecht Dürer. Ein einzelne könnte gut und gerne 25 Millionen Euro bringen und in der idealen Welt des amtierenden Museumsdirektors die schlimmsten Lücken in der Sektion Gegenwartskunst stopfen. Klaus Albrecht Schröder winkt ab, das stünde nicht auf der Tagesordnung. Das bedürfe zuallererst der Bereitschaft des Eigentümers, dem Finanzministerium. (kron/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2010 / 1./2.1.2011)