Moskau / New York - Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat das Chaos auf den Moskauer Flughäfen scharf kritisiert. Das Flughafenmanagement habe wohl zu früh angefangen, Silvester zu feiern, ätzte Putin. Der russische Premier warnte davor, dass der einsetzende Schneefall die Wiederaufnahme des Flugbetriebes behindern könnte.
Auf den beiden größten Flughäfen Domodedowo und Scheremetjewo sind seit Montag mehr als 20.000 Passagiere gestrandet. Eisregen und Stromausfälle brachten den Flugverkehr zum Erliegen. Die Passagiere bekamen weder Informationen über ihre Flüge noch Verpflegung oder Unterkünfte.
"Sie hätten uns zerfetzt"
Immer wieder kam es zu Schlägereien. Am Flughafen Scheremetjewo versuchten aufgebrachte Passagiere, eine Business-Lounge zu stürmen, nachdem sie erfahren hatten, dass es dort Alkohol und Essen gab, berichtet das Nachrichtenportal Newsru. "Alle haben sich schrecklich betrunken, aber wir schenkten weiter aus, sonst hätten sie uns zerfetzt", sagt eine Flughafenangestellte.
Aeroflot und den Moskauer Flughäfen droht nach den russischen Feiertagen eine Klagswelle. Die Transportstaatsanwaltschaft hat bei ihrer von Präsident Dmitri Medwedew verordneten Kontrolle bereits zahlreiche Gesetzesverstöße festgestellt. Die Öffentliche Kammer der Russischen Föderation will die betroffenen Passagiere bei der Einreichung von Sammelklagen unterstützen.
Auch in New York hält das Chaos nach dem Schneesturm an. Zwar landeten die meisten Maschinen am Dienstagabend wieder pünktlich - hunderte Passagiere mussten danach jedoch die Nacht an Bord der Flugzeuge verbringen, da am Flughafen Personal fehlte, um sie abzufertigen.
Schnee und Eyjafjallajökull
Was das Winterwetter, der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull oder die Terrorgefahr die Airlines 2010 gekostet haben, steht noch nicht fest. Klar ist nur: 2010 war trotzdem ein gutes Jahr für die Luftfahrtbranche.
15,1 Milliarden Euro Gewinn weltweit prognostiziert die Iata, der Weltverband der Fluglinien - nach einem Verlust von 9,9 Milliarden Dollar 2009. Die schlimmste Krise soll für die Airlines vorbei sein. Sie verdanken das zu einem guten Teil Asien. Fast acht Milliarden Dollar Gewinn machten sie hier 2010, bis 2014 sollen hier 360 Millionen Menschen mehr fliegen als noch 2009, ein mehr als dreimal so großes Wachstum als in Europa. Das Potenzial ist enorm: Während etwa in den USA derzeit drei Flugzeugplätze pro Einwohner pro Jahr zur Verfügung stehen, ist es in Asien nur ein halber. Und im Unterschied zu den USA wird die Mittelschicht hier immer größer.
Europa als Sorgenkind
Europa bleibt das Sorgenkind. "Europäische Airlines stechen mit ihrer schwachen Performance heraus", stellte Brian Pearce, Chefökonom von Iata, in seinem Jahresbericht fest. Schuld sind laut Iata weniger die Ausfälle als die angeschlagenen Staatshaushalte, die krisengebeutelten nationalen Wirtschaften und die neuen Luftfahrtsteuern.
Nach dem Verlustjahr 2009 - Airlines verloren in Europa rund vier Milliarden US-Dollar - rechnet die Iata 2010 dennoch mit einem Gewinn von einigen hundert Millionen Dollar. 2011 soll dieser gegen null fallen. Um wieder mehr zu verdienen, soll der Flugverkehr effizienter werden.
Unterschiedliche Sicherheitschecks je nach Herkunft der Passagiere - die in vielen Fällen den Kontrollaufwand verringern würden - wird es in Deutschland trotzdem nicht geben. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sowie Vertreter der CDU und SPD lehnten am Mittwoch einen entsprechenden Vorschlag des designierten Chefs des deutschen Flughafenverbandes und Chefs des Düsseldorfer Flughafens, Christoph Blume, ab. Blume hatte ein "Profiling" der Fluggäste nach dem Vorbild Israels gefordert. (tob, ved, DER STANDARD Printausgabe, 30.12.2010)