Kirchgässner: "Der Euro war bisher eine ausgesprochen stabile Währung - auch was die Inflation betrifft. Aber bei der Einführung gab es gewisse Effekte."

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Standard: Viele Deutsche wünschen sich die D-Mark zurück. War das immer eine stabile Währung?

Kirchgässner: Ja. Durch die Erfahrungen mit zwei großen Inflationen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg haben die Deutschen ein großes Stabilitätsbewusstsein entwickelt. Es gab Phasen hoher Inflation von mehr als sieben Prozent. Aber das gab es in anderen Ländern auch. Im internationalen Vergleich war die D-Mark sicher eine der stabilsten Währungen der Welt.

Standard: Aber das Geld ging den Deutschen auch mehrmals kaputt?

Kirchgässner: Ja, das war aber in der Zeit vor der D-Mark. Die alte Mark des Kaiserreichs ging in der großen Inflation 1923 kaputt. Dann gab es eine Währungsreform, und die Reichsmark wurde eingeführt. Im Zweiten Weltkrieg gab es eine starke versteckte Inflation; dies hat im Jahr 1948 zu einer neuerlichen Währungsreform und zur Einführung der D-Mark geführt.

Standard: Der Ruf nach der D-Mark ist also durch die gute Geschichte der Währung erklärbar?

Kirchgässner: Hätte man die Deutschen gefragt, hätten sie die D-Mark nie abgegeben. Es gab aber keine Volksabstimmung dazu. Die Einführung des Euro war ein Teil des Preises, den Deutschland zahlen musste, dass die anderen Länder der Wiedervereinigung zugestimmt haben. Eine gewisse Nostalgie gab es nach der Euro- Einführung immer. Sie ist jetzt wieder aufgekommen, nachdem einige Länder in der Eurozone doch gröbere Probleme bekommen haben.

Standard: Wie war das beim Schilling, war das eine Währung ganz ohne Probleme?

Kirchgässner: Der Schilling war auch eine sehr stabile Währung und seit Anfang der Achtzigerjahre fest an die D-Mark geknüpft. Am Ende hat die Oesterreichische Nationalbank kaum noch eine eigene Geldpolitik betrieben, sondern sich an die D-Mark angehängt. Ähnlich haben es die Holländer und die Dänen getan. Damit gab es einen Verbund von sehr stabilen Währungen, der von der D-Mark dominiert wurde. Die Geldpolitik dieser Länder ist damals in Frankfurt gemacht worden und nicht mehr in den Hauptstädten der anderen Länder.

Standard: Der Euro hatte von Anfang an kein gutes Stimmungsbild, er wird - zumindest in Österreich - oft als Teuro beschimpft.

Kirchgässner: Der Euro war bisher eine ausgesprochen stabile Währung - auch was die Inflation betrifft. Aber bei der Einführung gab es gewisse Effekte. Bestimmte Preise, z. B. in Restaurants, sind nicht wirklich angepasst worden. Die Umstellung ist sicher auch dafür verwendet worden, bestimmte Preise anzuheben. Das hat das Gefühl vermittelt, dass eine massive Inflation gekommen ist, die aber nicht stattgefunden hat, wenn man sich das gesamte Preisniveau ansieht. Die sogenannte gefühlte Inflation war damals massiv höher als die tatsächliche.

Standard: Sie haben gesagt, der Euro war bisher eine stabile Währung. Ist er das jetzt nicht mehr?

Kirchgässner: Was die Inflation in Ländern wie Deutschland, Österreich und dem Großteil der Eurozone betrifft, war und ist der Euro stabil. Eine große Inflation ist nicht zu befürchten. Gemäß diesem Auftrag war die EZB erfolgreich. Die Frage ist aber, wie weit der Euro im Wechselkursgefüge seine Position halten kann. Das Problem ist, wie weit man Länder, die insolvent sind, durchsubventionieren kann und ob daran der Euro scheitert.

Standard: Was müsste passieren, dass der Euro wirklich kippt?

Kirchgässner: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich mir das vorstellen soll. Aktuell gibt es Gedankenspiele von einem stabilen Euro in Nord- und Mitteleuropa und einem weniger stabilen in Südeuropa. Wie das technisch vor sich gehen soll, weiß ich nicht. Aber es ist natürlich ein Problem, wenn die Leute an den Märkten das Vertrauen in den Euro verlieren und in andere Währungen gehen. Für die Staaten mit hohen Schulden kann es Probleme geben, wenn die Zinsen massiv hochgehen und sie zusätzlich gestützt werden müssen. (Bettina Pfluger, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 30.12.2010)