Denis Dutton starb 66-jährig an Prostatakrebs.

Foto: A&LD.com

Wien - Die Aufhebung des Raumes und der Zeit ist eines der großen Versprechen der digitalen Gegenwart. Tatsächlich wäre es vor zwei Jahrzehnten kaum möglich gewesen, dass ein Philosophieprofessor in Neuseeland eine der angesehensten Institutionen des englischsprachigen intellektuellen Lebens gründete.

Ebendies gelang Denis Dutton, der an der University of Canterbury in Christchurch unterrichtete, mit Arts & Letters Daily (www.aldaily.com). Es ist ein Linkportal, das aber durch die enorme Reichweite des Erschlossenen schnell nach seiner Etablierung im Jahr 1998 an Bedeutung gewann.

Hier konnte man erfahren, wenn Christopher Hitchens im Vanity Fair eine neue Polemik entfacht hatte, oder wenn im American Scholar ein profunder Text über Emily Dickinson erschienen war. Dutton schrieb häufig die Anreißertexte vor den Links, die ihm die Charakterisierung als "Twitter vor der Erfindung der Tweets" eingebracht haben.

Das Prinzip des schnellen Reagierens wurde auf "Arts & Letters Daily" mit einem Zitat aus Senecas Ödipus zum Ausdruck gebracht: Veritas odit moras, die Wahrheit hat es eilig.

Dabei entsprach die Aufmachung der Seite nicht dem Ideal der Allgegenwärtigkeit: Der am 9. Februar 1944 in Los Angeles geborene Dutton bezog sich auf die Aufmacherseiten von Zeitungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, als es noch keine Titelfotos gab, stattdessen Kolumnen, Nachrichten und Kommentare aus allen Ressorts.

Die drei Säulen von Arts & Letters Daily waren erwähnenswerte Artikel, Besprechungen neuer Bücher sowie Essays und Meinungen. Dabei kam ein weiter Begriff des Intellektuellen zur Anwendung, der immer als offen gegenüber Naturwissenschaften und Realpolitik gelebt wurde.

Dutton, der als Philosoph zuletzt mit einem Buch über The Art Instinct. Beauty, Pleasure and the Human Evolution hervortrat, galt als widerspruchsfreudig - im Englischen gibt es dafür den Begriff "contrarian".

Dies äußerte sich auch darin, dass er für die Diskussion über das Ausmaß menschlichen Einwirkens auf den Klimawandel mit einem Kollegen eine eigene Seite ins Lebens rief (www.climatedebatedaily.com), auf der Skeptiker ein Forum fanden.

Gerade wegen seiner Neigung zur Kontroverse hat die Nachricht vom Tod Denis Duttons im Alter von 66 Jahren - er litt an Prostatakrebs - in Neuseeland und in der internationalen geistigen Welt große Bestürzung hervorgerufen. (reb / DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2010)