Nur ein Held werde sich trauen, den ehemaligen Yukos-Chef freizusprechen, sagte die Grande Dame der russischen Menschenrechtler, Ljudmila Alexejewa, vor der Urteilsverkündung im zweiten Prozess gegen Michail Chodorkowski. Nun, als Held hat sich Wiktor Danilkin nicht erwiesen. Bereits den zweiten Tag murmelte der Richter am Dienstag, selbst für die Anwälte kaum vernehmbar, den Schuldspruch gegen den Regimekritiker herunter.

Schon seit zehn Jahren legt Danilkin jeden Tag in der Früh den Weg ins Gericht im Moskauer Stadtteil Chamowniki nicht mit seinem Honda-Jeep, sondern zu Fuß zurück. Obwohl der 53-Jährige um die Mitte schon ein wenig füllig ist, geht er schnellen Schrittes. Der sportliche Jurist, der wie die meisten Russen die Jagd und die Fischerei liebt, hat sogar einmal den 800-Meter-Lauf der Richter gewonnen.

Danilkin hat eine typische Beamtenlaufbahn hinter sich. Nach dem Abschluss der Höheren Polizeischule begann er als Ermittler in der Bezirksverwaltung für Innere Angelegenheiten. Dort hatte er vor allem mit Verkehrsunfällen zu tun. 2000 wurde Danilkin schließlich zum Richter befördert.

Kollegen beschreiben Danilkin als menschlichen Richter und höflichen Mann ohne Allüren, für den Ordnung wichtig sei. Nach der Gerichtssitzung ist es oft Danilkin selbst, der Papierkügelchen vom Boden klaubt, Blumen gießt und die Stühle auf die Tische stehlt.

Danilkin steht für das Justizsystem im heutigen Russland. "Er achtet die Regeln, erkennt die Hinweise und zeigt keine überflüssige Selbstständigkeit", sagt eine Kollegin im russischen Nachrichtenmagazin New Times über Danilkin. Die "Hinweise" im Fall Chodorkowski hätten eindeutiger nicht seien können. "Der Dieb gehört ins Gefängnis", forderte Premier Wladimir Putin vor der Urteilsverkündung.

Offen bleibt nun nur noch, welche "Hinweise" Danilkin in Bezug auf das Strafmaß erhält und von wem diese kommen. In Danilkins Besprechungszimmer hängt nämlich nicht das Porträt Putins, sondern das seines Nachfolgers im Präsidentenamt, Dmitri Medwedew. Der frühere Rechtsprofessor Medwedew hat wiederholt den "Rechtsnihilismus" in Russland kritisiert. Fällt Danilkin das "richtige" Urteil, dann ist ihm jedenfalls eine weitere Karriere sicher. Irina Kolesnikowa, die vorsitzende Richterin im ersten Chodorkowski-Prozess, wurde mit einer Beförderung ins Moskauer Stadtgericht belohnt.  (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2009)