Wien - Das Innenministerium bestätigte am Dienstag, dass auf einer islamistischen Internetseite eine so genannte Todesliste mit mehr als 100 genannten Personen kursiere und 15 davon in Österreich leben. Es handelt sich vor allem um Kopten, die von der Gruppe Names "Islamischer Staat Irak" bedroht werden.

Mit den bedrohten Personen sei Kontakt aufgenommen worden, konkrete Gefährdungsanalysen würden laufend aktualisiert, hieß es auf Standard-Anfrage beim Staatsschutz. Ob Personenschutz angeordnet worden sei, falle unter Geheimhaltung. Jedenfalls seien mit den Betroffenen bestimmte Verhaltensregeln vereinbart worden.

Die mutmaßliche Terrorgruppe "Islamischer Staat Irak" ist dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nicht unbekannt. Die Extremisten haben sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem Massaker in einer christlichen Kirche in Bagdad bekannt. Damals nahmen extremistische Kämpfer die Messbesucher und Priester als Geiseln, 68 Menschen kamen ums Leben.

Attentat in Stockholm

Nach Schätzung der UNO verließen allein seitdem mindestens 1000 christliche Familien den Irak. Außerdem bekannte sich die Terrorgruppe, die Verbindungen zu Al-Kaida haben soll, zum jüngsten Selbstmordattentat in Stockholm.

Für Staatsschutzaktivitäten sorgt derzeit auch ein angebliches Islamisten-Seminar mit deutschen "Hasspredigern" , das eigentlich abgesagt war, dann aber doch in Wien-Ottakring stattgefunden haben soll. Allerdings ist die Quelle dafür wenig vertrauenswürdig. Es handelt sich um die anonym gehaltene Internetseite "SOS Österreich" , die laut eigenen Angaben "zum Schutz unserer Heimat, Kultur und Traditionen" agiert. Auf der Seite wird immer wieder auf die FPÖ verwiesen.

FP-Chef Heinz-Christian Strache hat sich auch in der Causa Todeslisten eingeschaltet. Mit einem Brief an Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), in dem er Schutz für die bedrohten koptischen Christen fordert. Im Gegensatz zu den diskret agierenden Staatsschützern zeigt Strache sein Engagement öffentlich. Er will "genau wissen, seit wann die Bedrohungslage bekannt ist und wie das Ministerium genau darauf reagiert hat" . Dass diese Information auch für die Täterseite interessant sein könnte, geht im Kampf um politische Aufmerksamkeit offenbar unter.

40 Fälle unter Beobachtung

In Österreich stehen laut Staatsschutz derzeit knapp 40 Fälle von Extremismus unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Zwei Drittel dieser Fälle, die beim BVT unter dem Stichwort "erweiterte Gefahrenerforschung" geführt werden, betreffen "islamistische Kämpfer" , der Rest "extremistische Rechte, Linke sowie Spione ausländischer Geheimdienste" . Eine konkrete terroristische Bedrohung für Österreich gebe es derzeit nicht, wird im Innenministerium betont. (Michael Simoner, DER STANDARD-Printausgabe, 29.12.2010)