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Ein Bahnhof mit Rückhalt des Landes

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St. Pölten - Man tut dem Landeshauptmann natürlich unrecht, wenn man sein Kulturverständnis auf den Sager reduziert, er habe einzig den Schatz im Silbersee fertig gelesen. Und sein kulturpolitisches Engagement endet natürlich nicht bei den Premierenfeiern der sommerlichen Theaterdarbietungen in Burgen und Schlössern beziehungsweise beim Posieren mit Künstlern: Erwin Pröll bekannte sich z. B. schon zu Hermann Nitsch, als dies auch Stimmenverluste bedeuten konnte. Vor allem aber lässt er im Hintergrund einen Mann namens Joachim Rössl werken, der praktisch für alles, was in den letzten 20 Jahren passierte, (mit-)verantwortlich ist.

Und es passierte erstaunlich viel: Niederösterreich hat (im Gegensatz zu Wien) seit 1994 ein modernes, EU-konformes Kulturförderungsgesetz. In Krems richtet Tomas Zierhofer-Kin ein urbanes Musikfestival aus, das seinesgleichen in der Bundeshauptstadt sucht. Die Kunst im öffentlichen Raum erlebte unter der Leitung von Katharina Blaas eine Höchblüte wie nirgendwo sonst in Österreich.

Und das Kulturbudget, das Mitte der 1990er-Jahre bei 49 Millionen Euro grundelte, wuchs stetig: Allein zwischen 2002 und 2007 verdoppelte das Land Niederösterreich die Ausgaben für Kultur. Seit 2009 stagniert das Budget zwar bei rund 135 Millionen Euro, Erwin Pröll wertet dies dennoch als Erfolg - angesichts der Kürzungen in anderen Bundesländern.

Zudem gab und gibt es langfristige strategische Überlegungen. Rössl schien es Anfang der 90er-Jahre nicht sinnvoll, alle kulturellen Aktivitäten in der künftigen Landeshauptstadt St. Pölten zu bündeln: Als Gegenstück zum dortigen Kulturbezirk wurde in Krems eine stillgelegte Tabakfabrik zur Kunsthalle umfunktioniert. Schon bald kam die Idee einer Kunstmeile auf. Heute sind in Krems zahlreiche Institutionen beheimatet, darunter das Karikatur-Museum, das 2011 sein zehnjähriges Bestehen feiert, die Artothek, das Forum Frohner, der Kunstraum Stein.

1992 wurde für die Kunsthalle Krems eine neuartige Organisationsform entwickelt. Der wesentliche Unterschied zu anderen Betriebsgesellschaften bestand darin, dass private (zumeist VP-nahe) Unternehmen, die ihr wirtschaftliches Know-how einbrachten, als Gesellschafter fungierten. Das Land, im Aufsichtsrat vertreten, stellte lediglich die Mittel zur Verfügung.

Landesrätin Petra Bohuslav, einige Jahre auch für Kultur zuständig, sagte in einem Interview: "Wir müssen das Mäzenatentum, das es früher gegeben hat, ja in irgendeiner Form kompensieren. Wir müssen andere Geldquellen erschließen, um weiterhin unserem kulturpolitischen Auftrag nachkommen zu können. Da ist der Schulterschluss mit der Wirtschaft und dem Tourismus durchaus legitim."

Und Kulturamtsleiter Joachim Rössl ergänzte: "Man fährt in die Wachau, geht essen, genießt die Landschaft - und besucht die Kunsthalle in Krems. Ich muss mich ja nicht prostituieren, nur wenn ich den Wiener Gürtel entlanggehe. Aber ich kann dort eine Menge Kunden gewinnen. Und davor scheue ich nicht zurück."

Das Modell erwies sich als ausbaufähig: Ende 1999 wurde die Nöku, die Niederösterreich Kulturwirtschaft GmbH, gegründet, um die in St. Pölten neu errichteten Betriebe mit den bereits bestehenden in Krems unter einem Dach zu vereinen.

Die Nöku bestand anfangs aus vier Gesellschaften: der NÖ Festival GmbH mit dem Donaufestival, der NÖ Kulturszene Betriebs GmbH mit dem Festspielhaus und der Bühne im Hof, der Kunstmeile Krems Betriebs GmbH und der NÖ Museum Betriebs GmbH für Landesmuseum und Klangturm.

Zehn Jahre später ist die von Paul Gessl geleitete Holding ein mächtiger, manchem zu mächtiger Konzern. Denn sie gliederte nicht nur weitere Betriebe des Landes ein (darunter das Musikfestival Grafenegg), sondern wurde zum Auffangbecken für Institutionen, mit denen sich Städte übernommen hatten.

Gegenwärtig gehören zur Nöku neben den bereits erwähnten Betrieben das Festival Glatt & Verkehrt, die Minoritenkirche Krems, das Landestheater, das Tonkünstler-Orchester, die Bühne Baden, die Österreichische Filmgalerie, das Freilichtmuseum Carnuntum, die Kulturfabrik Hainburg, das Museum für Urgeschichte in Asparn, das Art/Brut-Museum Gugging, die Schallaburg, das Museumszentrum Mistelbach mit dem Nitsch-Museum und die NÖ Landesausstellung.

2011 wird, so Pröll gegenüber dem Standard, das Egon-Schiele-Museum in Tulln hinzukommen. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 12. 2010)