Malen, bis die Farben einen neuen "Klang" bekommen. Josef Albers' Farbstudie zu "Homage to the Square".

Foto: 2010 The Josef and Anni Albers Foundation /VG Bildkunst Bonn /Artists Rights Society New York

Der Pädagoge. Der mit den Farbtheorien, die er selber ausprobierte. Nachmalte. Ausmalte. Quadrat für Quadrat.

Dieses Vorurteil hängt Josef Albers bis heute nach. Doch ebenso nachhaltig ist der Einfluss des malenden Lehrers auf die Malerei des 20. Jahrhunderts: Auf eine Agnes Martin, einen Donald Judd, auf den eine Generation jüngeren Ad Reinhardt. Das belegt gerade die aktuelle Ausstellung in dem Josef Albers gewidmeten "Museum Quadrat" in Bottrop in Westfalen, Albers' Geburtsort. Zu sehen sind dort Reinhardts Letzte Bilder.

Dabei war es ausgerechnet Reinhardt, der einmal meinte, es könne einem nichts Schlimmeres passieren, als das Etikett eines guten Lehrers à la Hofmann oder Albers angeheftet zu bekommen. Genau das widerfuhr dem 1888 geborenen Deutschen, der 1933 in die USA emigrieren musste. Auch dort arbeitete er sogleich wieder als Lehrer.

Erst in North Carolina am Black Mountain College, später als Leiter des Department of Design an der Yale University in Connecticut.

Mit seinem Farblehrbuch Interaction of Color galt Albers ab den frühen 1960er-Jahren als Farbfeldkombinationspapst; als geistiger Ziehvater der Op-Art, der Kunst optischer Sinnesverführer und Trickbetrüger. Es dürfte kaum ein europäisches Museum geben, das nicht eine der zahllosen Varianten von Albers' Homage to the Square besitzt. Ab 1950 arbeitete Albers ein Vierteljahrhundert lang unermüdlich an Homage, einer Suite farbiger Quadrate innerhalb farbiger Quadrate innerhalb farbiger Quadrate.

Der Künstler Albers blieb dabei irgendwo auf der Strecke. Der Sohn eines Handwerkers wurde nicht einmal mehr als reiner Kunsthandwerker geschmäht, sondern einfach links liegengelassen. Ein Fehler. Denn Albers war ein Maler mit Herzblut, von großer Kreativität und Qualität, mit einer überbordenden Freude am Suchen und Ausprobieren.

All das zeigt nun die Münchner Schau Malerei auf Papier - Josef Albers in Amerika. Es ist die erste Station einer Wanderausstellung durch Westeuropa und die USA. Aus Albers' Nachlass werden rund 100 Papierarbeiten gezeigt, alle aus dem Besitz der Albers Foundation im US-Bundesstaat Connecticut. Entstanden sind sie zwischen den späten 1930er- und den mittleren 1960er-Jahren. Keine davon wurde je zuvor öffentlich gezeigt.

Man sieht die scheinbar bekannten Albers-Grundfarben und Farbkombinationen: Orange und Orange. Orange und Orangerot. Gelb. Ein sattes Dunkelgrün. Aber es gibt auch Arbeiten mit Schwarz auf Grau, Schwarz auf Grau auf Weiß. Und auf dem Wandkreuz in der Mitte des natürlich quadratischen Ausstellungsaales 20 großformatige Arbeiten.

Diese zeigen, dass Albers ein Sammler war, der gierig Eindrücke von Reisen nach Mexiko aufsog, sie verwandelte, stilisierte und farbig vibrierend in Kunst überführte: etwa in der Serie "Adobe".

Am Nebentisch des Meisters

Das wirklich Aufregende an diesen Farbstudien ist, dass man sehen kann, welchen Gedanken Albers bei manchen Blättern nachhing - weil er immer wieder Notizen machte. Und er spielte mit den Farben, bis diese einen anderen "Klang" bekamen.

So gewinnt man langsam den Eindruck, neben Albers im Atelier zu sitzen, während er an seinem Studiotisch arbeitet und auf einen stark saugenden Untergrund ungemischte Industriefarben mit einem Messer aufträgt. Nichts weniger als ein augenöffnendes Sehereignis ist diese Schau.

Und der Schnee rings umher gibt das stimmige weiße Passepartout. (Alexander Kluy aus München/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 12. 2010)