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Andreas Mailath-Pokorny (51) arbeitete im Kabinett Franz Vranitzky, leitete die Kunstsektion des Bundes und ist seit 2001 Kulturstadtrat (SP).

Foto: AP/Ronald Zak

Mit Andreas Mailath-Pokorny sprach Thomas Trenkler.

Standard: Vor der Wahl im Oktober mussten Sie zittern, ob Sie Ihren Job behalten. Nun haben Sie Ihren schärfsten Kritiker verloren, weil SP und Grüne koalieren. Sind Sie der große Gewinner der Wahl?

Mailath: Nein, ich sehe mich nicht persönlich als Gewinner. Aber was mich sehr gefreut hat: Im Wahlkampf erhielt ich viel Zuspruch, es gab große Zustimmung zur Wiener Kulturpolitik. Und jetzt bin ich durchaus glücklich, die Grünen als Partner zu haben. Das ist ein spannendes Projekt.

Standard: Haben die Grünen in den Verhandlungen nicht darauf bestanden, dass bei den Vereinigten Bühnen Wien gespart wird?

Mailath: Das war die Ausgangsposition. Wir haben uns aber im Regierungsprogramm darauf geeinigt, dass wir für "eine angemessene Finanzierung" sorgen. Denn die VBW haben bereits in den letzten drei Jahren 3,2 Millionen Euro eingespart. Und die Subvention ist zwischen 2008 und 2010 von 40 auf 37,1 Millionen Euro gesunken. Man darf eines nicht vergessen: Die VBW sind einer der weltgrößten Musiktheaterkonzerne mit rund 700.000 Besuchern pro Jahr. Natürlich werden wir gemeinsam mit den Grünen auch in Zukunft kulturpolitische Aufträge für die VBW erarbeiten. Aber zunächst war es entscheidend, dass man ein solches Bekenntnis zur Finanzierung abgelegt hat.

Standard: "Ich war noch niemals in New York" lief in Hamburg höchst profitabel - ohne Subventionen. Warum muss dieses Musical in Wien bezuschusst werden?

Mailath: Alle sagen, dass die Wiener Produktion um einiges besser ist als die Hamburger. Wir produzieren eben nicht Musicals als Meterware, sondern unterhalten ein anerkanntes Orchester. Und wir geben vielen Kulturschaffenden Arbeit. Das ist der Grund, warum wir zur öffentlichen Unterstützung von Musicals stehen. Aber der größere Budgetposten bei den VBW ist mit 21 Millionen Euro das Theater an der Wien.

Standard: Dort sieht man herausragende Inszenierungen vor allem von Barockopern. Ist ein derart elitäres Musiktheater Ausdruck sozialdemokratischer Kulturpolitik?

Mailath: Ja, weil es Qualität hat. Ich habe explizit ins Regierungsübereinkommen schreiben lassen, dass es bei der Kulturförderung selbstverständlich darum geht, Qualität und Exzellenz zu unterstützen. Gerade im Bereich der klassischen Musik haben wir in Wien einen ausgezeichneten Ruf zu verteidigen. Daher hat sich die Stadt Wien vor ein paar Jahren entschlossen, sich ein drittes Opernhaus zu leisten.

Standard: Sie meinen: ein Opernhaus. Denn Volks- und Staatsoper sind Bundeseinrichtungen.

Mailath: Dem Steuerzahler, der alle drei Häuser finanziert, ist das egal. In Wien gibt es nun drei Opernhäuser.

Standard: Ist es, aus Sicht der übrigen Bundesländer, nicht ungerecht, dass Wien drei Opernhäuser hat - und nur ein einziges unterhalten muss?

Mailath: Nein. Denn Wien ist Bundeshauptstadt. Und, falls Sie dies zur Sprache bringen wollen: Der prozentuelle Anteil Wiens an der Bundeskunstförderung ist nachgerade unterdurchschnittlich im Vergleich zur Bevölkerungszahl und zum Kulturangebot. Wir bekommen ein knappes Drittel der Bundeskunstförderung.

Standard: Die Kunstförderung macht aber nur einen Bruchteil des gesamten Kulturbudgets aus. Kostenintensiv sind die Bundestheater und -museen. Und die befinden sich ausschließlich in Wien.

Mailath: Zugegeben. Aber es muss eben ein Zentrum geben, in der sich ein urbanes Kulturleben entwickeln kann. Österreich muss sich zu einem solchen Raum bekennen. Wien zieht viel kreatives Potenzial an. Und das kommt insgesamt dem Land zugute. Daher gibt es in Wien auch ein sehr viel höheres Maß an Kulturförderung. Umgekehrt gibt es ein sehr viel höheres Maß an Bergbauernförderung in Tirol. Ich käme nie auf die Idee, das als unfair zu bezeichnen. Aber ich wäre sehr dafür, wenn die Bundestheater wieder Tourneen durch die Bundesländer machten. Wenn "Phädra" bei den Salzburger Festspielen Premiere haben kann, spricht doch nichts dagegen, die Burg-Produktion auch in Klagenfurt oder Bregenz zu zeigen. Denn auch der Steuerzahler in Kärnten oder Vorarlberg hat das Anrecht, eine Vorstellung der Bundestheater zu sehen, für die er letztendlich aufkommt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2010)