Helmut Elsner (li.) und Johann Zwettler trafen einander auf der Aklagebank im OGH wieder. Elsner fasste die Höchststrafe aus. Zwettler fünf Jahre, was der OGH für ein "Glück" für den Ex-Banker hält.

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Wien - Donnerstag, Punkt neun Uhr, Justizpalast. Wer große Aufregung erwartet hatte, im Saal 2056, wo der Oberste Gerichtshof wenig später das Ersturteil zur Causa Bawag zerlegen sollte, hatte sich getäuscht. Nervosität und Hektik beschränkten sich auf die vielen Journalisten, Fotografen und Kamerateams - die Hauptdarsteller freilich, die waren, jedenfalls nach außen hin, ruhig und gefasst. Helmut Elsner, Johann Zwettler und Peter Nakowitz, die Ex-Bankchefs, deren Schicksal vom OGH besiegelt wurde, ließen das Blitzlichtgewitter über sich ergehen - um halb elf waren sie von der Bühne wieder verschwunden.

Betrug-Freispruch für Elsner

Elsner, zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig wegen Untreue mit einem Schaden von 1,2 Mrd. Euro zur Höchststrafe von 7,5 Jahren (2,5 Jahre kommen vom Gerharter-Kredit dazu; im Punkt Betrug wegen seiner 6, 8-Mio.-Pension wurde er freigesprochen) verurteilt und in Strafhaft, wurde ins Nebenzimmer geführt. Während der eineinhalbstündigen Urteilsverkündung und -begründung hatte er sich nur einmal zum Publikum gedreht, seine Frau Ruth suchend und ihr dann aufmunternd zunickend. Die saß in sich versunken da.

Zwettler verließ den Justizpalast sofort mit seinem Anwalt und einer Strafe von fünf Jahren (für Untreue mit 600 Mio. Euro Schaden). Die freundlich vorgebrachten, aber beinharten Worte des OGH-Senatspräsidenten Rudolf Lässig werden ihm wohl noch lange im Ohr sein: "Ich meine es nicht zynisch: Aber Ihr Glück war, dass Helmut Elsner neben Ihnen auf der Anklagebank saß und dass der OGH die Strafe nicht erhöhen darf. In jedem anderen Fall hätten Sie auch die Höchststrafe bekommen."

Auch Nakowitz verließ den Justizpalast schnell - er allerdings ohne Strafe im Gepäck. So wie bei Elsner und Zwettler haben die OGH-Richter auch bei ihm etliche Untreue-Punkte sowie die Verurteilung für Bilanzfälschung aufgehoben. Der von ihm verschuldete Schaden reduzierte sich dadurch von einer Milliarde Euro auf rund 300 Mio. Euro. Weil der OGH somit den Großteil des Nakowitz-Urteils aufgehoben hat, setzte der Senat die Strafe für die übrigen Taten nicht wie bei Elsner und Zwettler selbst fest, sondern verwies es ans Erstgericht, "das sich das alles noch einmal anschauen soll", so Lässig.

Aufgehoben hat der OGH zudem fast alle Schuldsprüche gegen die "kleinen" Vorstände (Christian Büttner, Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker) sowie gegen Investor Wolfgang Flöttl, Ex-Aufsichtsratschef Günter Weninger und Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Mit all den Aufhebungen muss sich nun wieder das Erstgericht beschäftigen.

Kein Ton war im Saal zu hören, als der Richter die Gründe für die Strafbemessung für Elsner erläuterte. Da schlugen sozusagen "Tatwiederholung, langer Tatzeitraum und das Faktum, dass Elsner immer führend tätig war" den "langen guten Lebenswandel" des Ex-Bankers. Was zudem zu Elsners Höchststrafe beitrug: "Die Taten waren gut geplant, und man hat zahlreiche Verschleierungsaktionen über Gesellschaften und Stiftungen in Liechtenstein gesetzt. Das ist etwas anderes, als wenn jemand in einmaliger Rage handelt." Worte, die Elsners Frau mit Kopfschütteln quittierte. Im Mittelpunkt der Entscheidung für die Höchststrafe stand aber "die Dimension der Tat. Die Höchststrafe von zehn Jahren bei Untreue gilt ab 50.000 Euro, hier geht es um das 20. 100-Fache, da ist etwas anders als die Höchststrafe gar nicht denkbar", rechnete Lässig vor.

Ersturteil schlecht begründet

Die vielen "Heber", wie Juristen Aufhebungen nennen, begründete der OGH damit, dass "das Urteil einfach zu wenig Feststellungen hat und die Begründungen teilweise sehr kursorisch sind". Was bedeutet, dass die im Urteil beschriebenen Tathandlungen nicht reichen, um jemanden wegen Untreue zu verurteilen. Oft mangelte es im Urteil auch am Nachweis der subjektiven Tatseite (Vorsatz), bemängelte der OGH. Er gab nicht nur Beschwerden der Angeklagten nach, sondern hob auch "relativ viele Fakten von Amts wegen (auf eigene Initiative; Anm.) auf, weil uns die Begründungen einfach zu wenig waren", so Lässig.

Kaum war der öffentliche Gerichtstag in dem "Prozess, der so ziemlich alle Dimensionen sprengt, die wir in der österreichischen Kriminalgeschichte je hatten" (Lässig) vorbei, war Verhandlungssaal 2056 auch schon wieder leer. Richter und Angeklagte waren dahin, und der Journalistentross musste weiter. Die unter Druck geratene Ex-Bawag-Richterin, Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (siehe Seite 15), hatte schon vor Beginn der Urteilsverkündung zum Pressegespräch geladen.(Renate Graber, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 24.12.2010)