Der Feuerwehreinsatz bei der Linie 60 ist alles andere als ein Einzelfall.

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Wien - "Könnt' ich für das Auto eine Verschrottungsprämie zahlen? Ab in die Presse mit dem Kübel", grummelt ein Fahrgast, der seinen Humor noch halbwegs behalten hat, zum Feuerwehrmann. Die anderen paar hundert Passagiere sind längst auf 200 Puls.

Dienstagabend ist es kurz vor 19 Uhr auf der Straßenbahnlinie 60 wieder einmal soweit: In der hier an sich sehr breiten Speisinger Straße ragt die linke Flanke eines falsch geparkten Autos derart weit in die Straße hinein, dass die Bim nicht mehr vorbeikommt. "90 Zentimeter" misst der Bimfahrer den Abstand des Autos zur Gehsteigkante nach. Hinter seiner Garnitur sind bereits vier weitere Straßenbahnen "aufgelaufen".

Und diesmal scheitert die Weiterfahrt nicht nur an der Rückspiegel-Frage. Denn manchmal würde es reichen, wenn der Spiegel des geparkten Autos einfach umgeklappt würde. Doch die Bimlenker dürfen fremde Fahrzeuge keinesfalls anrühren - und müssen Polizei und Feuerwehr rufen. Es sei denn, ein beherzter Fahrgast oder Passant greift einfach zu.

Hotspots im Süden und Westen

Die Behinderung auf der Linie 60 ist alles andere als ein Einzelfall: "Klassische Hotspots sind im Süden und im Westen", erläutert Wiener Linien-Sprecher Dominik Gries im Standard-Gespräch. Die häufigsten "Hängenbleiber" sind etwa die Linien 40, 41 und 42. "Wo die Straßenbahn durch enge Straßen muss. Im Schnitt haben wir rund zehn derartige Behinderungen pro Tag", berichtet Gries.

Doch kaum fällt ein bisschen Schnee, explodiert die Zahl der Einsätze. Gries: "Der erste Tag des jüngsten Schneefalls war extrem. Der Schnee selbst war für uns eigentlich nicht so schlimm - aber die Falschparkermeldungen kamen im Viertelstundentakt."

Mehr als 100 Fahrgäste betroffen

Die Auswirkungen jedes einzelnen Falschparkers sind jedenfalls enorm und "weiten sich auf die gesamte Strecke aus", erklärt der Linien-Sprecher. Beeinträchtigt sind pro hängen gebliebener Bim meist mehr als 100 Fahrgäste, dazu jene Passagiere, die vergeblich in den Stationen warten.

Die Auswirkungen für die Autobesitzer wiederum können finanzieller Natur enorm sein: Zunächst die Verwaltungsstrafe und dazu die Kosten für den Feuerwehr-Einsatz - 220 Euro pro Stunde. Und falls Mitarbeiter der Wiener Linien wegen der Verzögerung länger Dienst machen müssen, wird auch das verrechnet: im Schnitt 50 bis 100 Euro.

Mit Druckluft hineingehoben

Sobald sich die Feuerwehr ans Werk macht, ist der Falschparker rasch buchstäblich weggeblasen - und mit dem Schlauch per Pressluft in die Parklücke hineingedrückt. Der Ärger der Fahrgäste ist indes noch längst nicht verraucht - vor allem bei jenen nicht, die ungeplant umsteigen müssen. Weil ihre Bim umdrehen muss, um die stadteinwärts entstandene Lücke wieder aufzufüllen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD; Printausgabe, 23.12.2010)

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