Matthias Herrmann zeigt eine privatere Seite seines Werks: "Nymphenburg, Amalienburg 12. VI. 2010"

Foto: Galerie Steinek

 

Wien - New York, Rom, Irland oder Bratislava, aber auch der Wiener Prater oder das toskanische Grosseto, in dessen Nähe Matthias Herrmann bisweilen lebt und arbeitet, tauchen in den Aufnahmen auf. Beim Reisen sei er ein Flaneur im Baudelaire'schen Sinn und habe dabei immer gerne fotografiert, hauptsächlich Architektur, sagt der Künstler über seine ein nächstes Kapitel aufschlagenden jüngsten Fotografien. Für Freunde habe er Dip- und Triptychen aus den Bildern gefertigt; letztendlich habe ein Kurator ihn ermutigt, daraus etwas zu machen.

"Diese Fotos sind eigentlich mit einer viel größeren Privatheit aufgeladen als frühere Arbeiten", sagt der Künstler. Erstaunlich. Denn im Gegensatz zu den mit "offensiver Körperlichkeit" spielenden Aufnahmen der letzten Jahre - Bildern, in denen Herrmann sich selbst als Modell nahm und männliche, auch homoerotische Sexualität thematisierte -, ist er als Person in den Interieurs und Landschaftsausschnitten abwesend. Menschen sind in den Bildern generell nur durch ihre Werke anwesend.

Herrmann, der seine Professur an der Akademie gänzlich aufgibt - lange genug habe er sich "im System festgenagelt"-, fragte sich auch, inwiefern er sich von Dimensionen der Wiedererkennbarkeit in seinem Werk lösen könne. Dass er kann, beweisen die ihn als neugierigen, wachen Beobachter von Details auszeichnenden analogen Fotos. Humorvolles, Ironisches und Formales bricht die ruhigen Aufnahmen reizvoll auf.

Freilich spiegeln sie auch seine Lehrtätigkeit wider, formale Fragen, die dort diskutiert wurden. So interessieren Herrmann etwa auch die konservativen Eigenschaften der Fotografie, ihr bewahrender, sammelnder Charakter. Er fängt etwa Zeitlichkeit ein, wenn er den Ort eines Thomas-Struth-Fotos von 1989 aus dem Kunsthistorischen Museum in den Fokus rückt, die Differenz zum Heute dokumentiert. Aber auch geheimnisvolle Geschichten, die Gebäude andeuten, interessieren Herrmann: eine Irrenanstalt im Stil eines viktorianischen Schlosses (Abandoned Hospital ...), vergessene moderne Architekturen (Easter at Hotel Kyjev) oder auch eine Aufzugstation für Fledermäuse (Bat Sanctuary). (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2010)