Rarer Überrest einer nur durch DNA entdeckten Menschenart: Denisova-Backenzahn, der viel größer ist als der von Neandertalern.

Foto: David Reich/Nature

Leipzig/London - Bis auf einen Backenzahn und einen Fingerknochen hat man bis jetzt kaum etwas von ihnen gefunden. Dennoch weiß die Forschung bereits erstaunlich viel über die 2008 in der sibirischen Denisova-Höhle entdeckten Menschenart, die anders war als die Neandertaler und unsere unmittelbaren Vorfahren.

Dieses Wissen verdankt sich einer methodischen Revolution in der Untersuchung von Fossilien früher Menschen und ihrer Verwandten: Svante Pääbo und seinen Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie gelang es, aus uralten Zellen DNA zu extrahieren und diese zu untersuchen. Damit wurde auch gleich eine neue Forschungsdisziplin geboren: die Paläogenetik.

Mittels dieser neuen Methode konnten Pääbo und seine Mitstreiter heuer unter anderem eine ziemlich vollständige Version des Neandertaler-Genoms vorlegen. Diese zeigte, dass es zwischen Homo sapiens und seinen nächsten Verwandten sexuelle Kontakte gegeben haben muss. Das Wissenschaftsjournal "Science" erklärte diese Veröffentlichung zu einer der drei wichtigsten des Jahres.

Nun legen die Paläogenetiker noch einmal nach. Bereits im März 2010 hatten sie aus dem 30.000 Jahre alten Fingerknochen herausgelesen, dass es sich beim Denisova-Menschen um eine bis dahin völlig unbekannte ausgestorbene Urmenschenform handeln musste. Nach detaillierteren DNA-Analysen berichten die Forscher um Pääbo in der heutigen Ausgabe des Fachblatts "Nature" (online), dass die Denisova-Menschen zum einen genetisch näher mit den Neandertalern verwandt waren als mit dem modernen Menschen.

Zum anderen machten die Forscher bei DNA-Vergleichen mit heute lebenden Menschen eine überraschende Entdeckung: Es zeigte sich nämlich, dass das Denisova-Genom gewisse Ähnlichkeiten mit der DNA von Menschen aufweist, die heute noch auf Papua-Neuguinea leben. Demnach könnte es zwischen den Denisova-Menschen und den Vorfahren der Melanesier zu einem "Gen-Fluss" gekommen sein.

Diese neuen Entdeckungen stellen die gängige Geschichte unserer Vorfahren zwar nicht völlig auf den Kopf, macht sie aber um einiges komplexer, als man bisher annahm: Klar ist, dass der moderne Mensch vor 50.000 bis 60.000 Jahren aus Afrika nach Eurasien einwanderte, wo er Kontakt zu Neandertalern hatte.Und dann muss es wohl auch noch Kontakt zu den Denisova-Menschen gegeben haben, bevor Homo sapiens vor rund 45. 000 Jahren mit der Besiedlung von Ozeanien begann. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2010)