Wien - Als ihm der israelische Vizeminister Ayoub Kara etwas ins Ohr flüstert, zieht Heinz-Christian Strache sein Kapperl mit einem Ruck vom Kopf. Und setzt es lieber nicht mehr auf. Das Kleidungsstück wird noch für einigen Gesprächsstoff sorgen.
Zu sehen ist die Szene im Dokumentarfilm "100 Stunden" von Krone-Redakteur Claus Pándi, der den Chef der Freiheitlichen nach Israel begleitet hat. Hochrangige SPÖ-Politiker versuchten nach Standard-Infos, Pándi von seinem Filmprojekt abzubringen. Er selbst will das auf Anfrage nicht kommentieren; im Film spricht er allgemein von "Interventionen" .
"Signal an eigene Nazis"
Anfang Dezember besuchte der FPÖ-Chef gemeinsam mit dem EU-Abgeordneten Andreas Mölzer und dem Wiener Landtagsabgeordneten David Lazar die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem bei Jerusalem - eine der bedeutendsten weltweit, die an die sechs Millionen jüdischer Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Beim Betreten trugen Strache und Delegierte wie vorgesehen eine Kopfbedeckung - allerdings keine jüdische Kippa oder ein neutrales Stück Stoff, wie es bei Gästen allgemein akzeptiert wird. Sie gedachten der jüdischen Opfer unter sogenannten "Biertönnchen" : Einer Kappe schlagender, deutschnationaler Burschenschaften, versehen mit dem "Vandalia" -Zirkel, bei dem Strache seit seinem 15. Lebensjahr Mitglied ist.
In Österreich wird sein Auftritt als "Schenkelklopfer" gefeiert, berichten rechte Burschenschafter dem Standard. In dieser Aktion sehe man eine bewusste Provokation der Juden - sei es doch eine Persiflage auf den jüdischen Brauch der Kippa. Intern kursiere das Video, das Strache mit Burschenschafterkappe zeigt.
"Kotzübel" sei ihm bei den Bildern geworden, kommentiert Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, die Kopfbedeckung der FPÖler. Er deutet das als ein "Signal an die Nazis in den eigenen Reihen: Ich fahre zwar nach Israel - aber mit Biertönnchen auf dem Kopf." Mit dem Auftritt sei eine der heiligsten Stätten des Holocaust entweiht worden; die Israelis hätten keine Ahnung, was für ein "böses Spiel" mit ihnen getrieben werde.
Mit ihrem demonstrativen Pro-Israel-Kurs stehen die Freiheitlichen unter Europas Rechten nicht alleine da: So reisten auch Philip Dewinter vom rechtsextremen "Vlaams Belang" aus Belgien oder der deutsche Rechtspolitiker René Stadtkewitz nach Israel. Ihr Ziel: Die Bildung und Stärkung einer internationalen anti-islamischen Front (siehe Wissen).
Diese Einschätzung bestätigt auch Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW). Strache konzentriere sich seit Jahren darauf, gegen den Einfluss des Islam zu wettern. Israel gilt vielen rechtsextremen Politikern heute als Vorposten des Abendlandes - geeint kann gegen den gemeinsamen Feind gekämpft werden. Strache selbst sieht Israel einer "islamischen Terrorbedrohung ausgesetzt, die mitten ins Herz unserer Gesellschaft zielt" . Ein weiterer Grund für Straches Reise sei es, Salonfähigkeit als Politiker zu beweisen: "Wenn Israel nicht auf ihn reagiert und ihn unkommentiert im Land aufnimmt, kann in Österreich über kurz oder lang niemand mehr etwas sagen. Er macht sich regierungsfähig" , sagt Schiedel.
Unangenehme Fragen musste Strache allerdings auch in Israel ertragen: Im Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 2 wurde er auf seine einstigen Wehrsportspiele im Wald angesprochen. Seine Reaktion: "Ich habe nie den Holocaust geleugnet. Ich habe nie in meinem Leben antisemitische Äußerungen getätigt. Ich war nie ein Nazi." (Saskia Jungnikl, Harald Fidler, Julia Herrnböck, DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2010)