Im Fall des umstrittenen türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan in Wien zeichnet sich eine Lösung ab. Das türkische Außenministerium hat mit einer Umstrukturierung seines diplomatischen Dienstes begonnen, was eine für Ankara gesichtswahrende Abberufung des Botschafters ermöglicht.

Eine Sprecherin des Ministeriums bestätigte am Mittwoch, dass nun eine Reihe neuer Ernennungen von Botschaftern geplant sei. Von einem Wechsel in Wien sei aber derzeit nichts bekannt. "Das neue Regelwerk hat nichts mit Namen, sondern mit der neuen Struktur des Ministeriums zu tun", sagte die Sprecherin dem Standard. Kenner des Außenministeriums in Ankara erklärten jedoch, sie erwarteten den Abzug Tezcans.

Der 61-jährige Karrierediplomat hatte Anfang November in einem Interview mit der Presse Innenministerin Maria Fekter als Fehlbesetzung für die Integrationspolitik bezeichnet und den Österreichern vorgeworfen, sie seien außer im Urlaub nicht an anderen Kulturen interessiert. Tezcans Kritik stieß in der Zivilgesellschaft durchaus auf Zustimmung, isolierte den türkischen Botschafter aber. Er gilt seither als nicht mehr arbeitsfähig im Kontakt mit den Behörden.

Ein erfahrener türkischer Beobachter des Außenministeriums in Ankara vermutet, Tezcan habe politische Ambitionen für die Zeit nach seiner Pensionierung und wollte das Interesse von Premier Tayyip Erdogan an seiner Person erregen. Mit seinem Interview habe er kritische Aussagen Erdogans zum Verhältnis der Europäer gegenüber den türkischen Immi-granten kopieren wollen. Tezcans Äußerungen hätten jedoch einen solchen Schaden angerichtet, dass sein Weg in die konservativ-muslimische AKP versperrt sei; eine Karriere in der rechtsgerichteten MHP sei dagegen nun denkbar. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2009)