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Schanghai als Beispiel für wirtschaftlichen Fortschritt auf Kosten der Umwelt.

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Während der Mensch in der klassischen Ökologie meist nur Randfigur ist, spielt er in der Humanökologie eine zentrale Rolle: Immerhin ist er Auslöser massiver Veränderungen und meist auch deren Leidtragender. Gefordert wäre ein "Homo oecologicus" , ein Mensch, der nachhaltig handelt. Auf Einladung der Internationalen Gesellschaft für Interdisziplinäre Studien (Igis) setzten sich kürzlich Wissenschafter verschiedenster Fakultäten an der Universität Wien mit der Frage auseinander: "Wie ist ein Menschenbild für die nachhaltige Entwicklung wissenschaftlich möglich?"

Derzeit größtes Sorgenkind ist die Klimaerwärmung. Einen Überblick über die Problematik gab Helga Kromp-Kolb vom Institut für Meteorologie der Boku: Die Temperaturen sind in den letzten 150 Jahren bereits um 0,8 Grad Celsius gestiegen, und sie tun es nachweislich weiter. Das heißt, wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Temperaturen bis zum Jahr 2100 um rund fünf Grad Celsius steigen. Politisch angestrebt wird derzeit eine Steigerung von "nur" zwei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts, was immer noch einen Anstieg des Meeresspiegels um 40 Meter bedeuten würde.

Wie muss also ein nachhaltiges Menschenbild aussehen? Zuerst einmal muss es realitätsnah sein, forderte Bernd Siebenhüner, Professor für Ökologische Ökonomie an der Universität Oldenburg. Denn das ist der in der klassischen Ökonomie angenommene "Homo oeconomicus" eindeutig nicht. Dieser zeichnet sich unter anderem durch rationales Verhalten im Sinne des Eigennutzes aus: Er will immer mehr und wird lediglich über Preise und Gesetze gesteuert.

So sind wir aber gar nicht, wie Sigrid Stagl von der WU Wien ausführte: Viele Menschen liefern auch Leistungen, wenn sie nicht dafür bezahlt werden. Man denke nur an Blutspender oder Wahlhelfer. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Blutqualität der freiwilligen Spender besser ist als die von Leuten, die sich dafür bezahlen lassen. Ähnliches gilt für Wahlhelfer.

Wir verhalten uns auch nicht immer rational: Menschen, die großen Durst hatten und vor die Entscheidung gestellt wurden, ob sie sofort eine bestimmte Menge Saft bekommen oder fünf Minuten später die doppelte Menge, entschieden sich bis zu 60 Prozent für Ersteres. "Der Mensch ist kein intern konsequenter Entscheidungsfinder" , sagte Stagl, die darin eine Chance zum Umdenken sieht: "Wir müssen cleverer sein in der Gestaltung von Steuerungsimpulsen." Dass wir auf unterschiedliche Darstellungen derselben Verhältnisse unterschiedlich reagieren, zeigte auch der Wiener Psychologe Rainer Maderthaner am Beispiel Risikoeinschätzung: So sollten Menschen die Wahrscheinlichkeit einschätzen, eines unnatürlichen Todes zu sterben. Die Frage erzielte nur 45 Prozent Wahrscheinlichkeit.

Wurden die Todesmöglichkeiten jedoch beschrieben - Vergiftung, Unfall etc. -, wurde dieselbe Wahrscheinlichkeit plötzlich mit 83 Prozent beurteilt. Mit entsprechender Konkretisierung ließe sich auch die Problemwahrnehmung für - und damit das Engagement gegen - den Klimawandel schärfen.

Der Wiener Geograf Peter Weichhart zog die österreichische Raumordnung als Beispiel heran: Während nachhaltige Entwicklung eines ihrer festgeschriebenen Ziele ist, stehen 42 Prozent aller Gebäude im Salzburger Flachgau widmungswidrig im Grünland. Er zeigte damit die Schwierigkeit bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit in die Praxis und vor dem Hintergrund des politischen Systems auf, Stichwort Wählerstimmen.

Die Sozialökologin Marina Fischer-Kowalski von der Alpen-Adria-Uni wiederum sieht den erforderlichen Übergang von der herrschenden Industrie- zu einer Nachhaltigkeits-Gesellschaft ähnlich einschneidend wie den Übergang vom Jäger und Sammler zum Bauern und von dort zur Industriegesellschaft. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2010)