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Bildungsstandards, Zentralmatura und eine längere Dauer des Kindergartenbesuchs haben die Leistungen deutscher Schüler erhöht.

Foto: epa/Jensen

"Deutschland holt auf", so kommentierte das deutsche Unterrichtsministerium die Veröffentlichung der Pisa-Studie 2009. "Das Ergebnis ist niederschmetternd", sagte die österreichische Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) als Reaktion auf die Ergebnisse. Obwohl die beiden Schulsysteme vergleichbar sind (auch in Deutschland gibt es Hauptschulen und Gymnasien und nur wenige Gesamtschulen) und auch der Anteil der getesteten Migranten und Migrantinnen gleich hoch, schaffte es Deutschland sich vom "Pisa-Schock" im Jahr 2000 zu erholen. 

Deutschland hat im Lesen mit 497 Punkten den OECD-Durschnitt erreicht. Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich Deutschland somit um 13 Punkte verbessert. Österreich hingegen hat beim Lesen nur 470 Punkte erreicht, im Jahr 2000 waren es noch 492 gewesen. Ähnlich sieht das Bild in Mathematik und Naturwissenschaften aus. Was macht Deutschland also besser als Österreich?

Mehr Zeit für systematisches Lernen

Eckhard Klieme hat gemeinsam mit seinem Team vom DIPF, dem Frankfurter Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, aus der Pisa-Studie einige Schlussfolgerungen gezogen. "Es gibt Indikatoren in den Daten von Pisa, dass mehr Lernzeit für systematisches Lernen aufgewendet wird", so Klieme. Beispielsweise würden Kinder inzwischen früher eingeschult als vor zehn Jahren, und die Unterrichtszeit für das Fach Deutsch habe sich etwas erhöht.

Längerer Bildungsweg

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Dauer des Kindergartenbesuchs in Deutschland zudem verlängert. Auch der Anteil an vorzeitigen Einschulungen hat sich mehr als verdoppelt. Jene Schüler und Schülerinnen die 2000 getestet wurden unterscheiden sich deshalb auch von jenen aus dem Jahr 2009. Sie sind im Durchschnitt etwa ein Monat älter. Deutschland hat auch bei den schulischen Rahmenbedingungen seit 2000 einiges geändert. So wurden etwa mehr standardisierte Testverfahren zur Qualitätssicherung eingeführt. "Qualitätssicherung wird in den Ländern sehr ernst genommen, die Zentralmatura gibt es fast in allen Bundesländern", stellt Klieme fest. Es gebe dadurch externe Normen und Standards, an denen sich alle Schulen messen können. Der positive Effekt auf die Leistungen komme dadurch zustande, dass der Unterricht auf diese Standards hin weiter entwickelt wird.

Bildungsstandards geben Hoffnung

Österreich kann also noch hoffen. Denn auch hier wurden in diesem Jahr das verpflichtende Kindergartenjahr für 5-Jährige, die Zentralmatura und Bildungsstandards eingeführt. Bis diese Maßnahmen sich auf die Pisa-Studie auswirken wird es allerdings noch dauern, denn die Kinder, die jetzt in den Kindergarten kommen, werden erst in zehn Jahren oder sogar noch später getestet.

Einstellung gegenüber Lernen ist in Deutschland positiver

Der Erfolg der Deutschen bei der Pisa-Studie liegt aber nicht nur an den Änderungen in der Bildungslaufbahn sondern daran, dass vor allem schlechte Schüler seltener geworden sind. „Die Einstellung gegenüber dem gesamten Unterricht und auch gegenüber dem Lesen hat sich positiv verändert", sagt Pisa-Leiter Klieme. Gerade hier kann Österreich nicht mithalten, die Leseunlust bei den Schüler und Schülerinnen nahm beträchtlich zu. 

Der Anteil sehr schwacher Leser hat sich in Deutschland beim Lesen halbiert. Der Anteil "Risikogruppe" (das sind jene, die nur Kompetenzstufe 1a oder weniger erreichen und Schwierigkeiten beim sinnerfassenden Lesen haben) in Deutschland liegt bei 18,5 Prozent, in Österreich bei 28 Prozent. Auch Zuwanderer nach Deutschland konnten ihre Leistungen um 26 Pisa-Punkte verbessern, während Österreichs Migranten 2009 acht Punkte weniger erreichten als noch 2000.

"Strukturfrage ist nicht entscheidend"

"In Österreich gibt es sehr gute Konzepte", glaubt Klieme. Er habe aber beobachtet, dass in der Bildungspolitik oft andere Dinge wie die Lehrerarbeitszeit oder die Neue Mittelschule parallel zur Diskussion um Bildungsstandards laufen. "Die Strukturfrage ist nicht entscheidend für die Leistungen", glaubt der Leiter der Pisa-Studie. Er sei froh, dass in Deutschland die Fragen, ob eine Gesamtschule flächendeckend eingeführt wird oder nicht, die Diskussionen rund um Pisa nicht beherrschte. "Zum Glück steht dadurch die Unterrichtsentwicklung im Vordergrund", so Klieme. (Lisa Aigner, derStandard.at, 3.1.2011)