Wissenschaftler aus Kiel und Odense/Dänemark erforschen jetzt gemeinsam den Einfluss von Schichtarbeit, Schlafqualität und Ernährung auf Stoffwechselkrankheiten und die Genaktivität. An dem neuen Projekt "Schlaf, Arbeit und deren Konsequenzen für menschliche Stoffwechselkrankheiten" sind die Abteilung für Humanbiologie des Zoologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel und die Syddansk Universitet in Odense beteiligt.
Langzeitziel der Studie ist, präventive Maßnahmen zu entwickeln, um in Zukunft das Risiko für die Entwicklung von Stoffwechselkrankheiten und Schlafstörungen zu verringern.

Personen, die in einem Schichtsystem arbeiten, können den natürlichen Schlaf- Wachrhythmus, der sich am Tag-Nacht-Zyklus orientiert, nicht einhalten. Ihre innere Uhr kommt aus dem Takt. Die Folge davon können vielfältige Störungen des Stoffwechsels sein, die langfristig mit einer Vielzahl von Erkrankungen, mit psychischen Störungen, sogar Arbeitsunfähigkeit einhergehen können. Um das Ausmaß der durch Schichtarbeit bedingten Veränderungen auf den menschlichen Körper und seine Zellen zu erforschen, werden Zwillingspaare aus Dänemark mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren untersucht. Je einer der Zwillinge geht dabei einer Beschäftigung in Schichtarbeit nach. "Der Vorteil bei der Untersuchung von eineiigen Zwillingen ist, dass sie beide genetisch praktisch identisch sind und sich der Effekt der Lebensweise besser identifizieren lässt", so der Kieler Humangenetiker Ole Ammerpohl. "Daher ist die Zusammenarbeit mit dem nationalen dänischen Zwillingsregister, das seit Jahren Zwillinge hinsichtlich medizinischer und beruflicher Aspekte analysiert, für das Projekt essenziell."

Einfluss auf die Erbsubstanz

Die Auswirkungen der Schichtarbeit könnten weit fundamentaler sein, als bislang vermutet wurde: Sie könnte direkt unsere Erbsubstanz und die darin erhaltenen Gene beeinflussen. "Die Aktivität der Gene wird durch kleine Schalter an der DNA, die DNA-Methylierung, gesteuert", erklärt Ammerpohl. "Diese DNA-Methylierung wird veränderten Umweltbedingungen angepasst und kann anschließend sogar an die nachfolgenden Generationen weiter vererbt werden".

Neben der Schichtarbeit selbst begünstigen auch das Ernährungs- und Schlafverhalten die Entwicklung von Stoffwechselkrankheiten. Deshalb erfasst das Projekt nicht nur die DNA-Methylierung und Genvarianten, sondern auch das Ernährungsverhalten, die Schlafqualität sowie Hormon- und Blutwerte (Blutzucker, Blutfette usw.) der Zwillinge. Beispielsweise wird untersucht, ob die Werte des "Stresshormons" Cortisol bei Menschen durch Schichtarbeit verändert werden. Alle genannten Merkmale werden an der Universität in Odense zueinander in Bezug gesetzt und mit speziellen mathematischen Modellen ausgewertet.

Arbeitszeit unabhängig von Tageslänge

Noch bis vor einigen Generationen standen die Menschen bei Tagesanbruch auf und legten sich bei einsetzender Dunkelheit wieder schlafen. "Als Anpassung daran entwickelte der Körper in Jahrtausenden der Evolution ein ausgeklügeltes System aus Botenstoffen, die den Wach-Schlaf-Rhythmus steuern und die nötige Regeneration des Körpers ermöglichen", erläutert Professorin Manuela Dittmar von der Uni Kiel. In den letzten Jahrzehnten hat jedoch ein rasanter Wandel unserer Lebensweise stattgefunden. Die Arbeitszeiten richten sich nicht nach der Tageslänge. "Viele Menschen müssen zudem in einem System der Schichtarbeit ihrer Beschäftigung nachgehen. Die Folge sind bei Betroffenen vermehrt auftretende typische Zivilisationskrankheiten bis hin zum "Burn-Out-Syndrom" und zur Frühinvalidität", so Dittmar. (red)