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Santorini: Schöne Inseln mit schönen Menschen, wer will da nicht hin? Doch die griechische Tourismusindustrie will den Kundenkreis verbreitern.

Foto: AP/Michael Virtanen

Ob Griechenland sich aus der Schuldenfalle befreien kann, hängt wesentlich von der Tourismusindustrie ab.Doch Hotels und Gastronomie stecken in der Krise. Kreuzfahrten und eine neue Werbelinie sollen die Branche beleben.

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Athen - Georgios Nikitiadis ist so in Fahrt gekommen, dass ihn nichts mehr im Sessel hält. Der stämmige Grieche springt auf, stürmt zum Fenster, reißt den Vorhang auf: "Sehen Sie das? Keine andere Stadt der Welt hat einen solchen Ausblick zu bieten" , ruft der Vizeminister für Tourismus, während seine Fingerspitzen auf die Akropolis hoch über Athen zeigen. "Wir haben Theater, in denen man sitzen kann, wo Sophokles einst saß. Wir haben Tavernen, schöne Museen. Aber das haben wir alles vernachlässigt. Wir haben jahrelang nur mit schönen Frauen, die ihren hübschen Hintern vor einer Meereskulisse zeigten, Werbung gemacht" , sagt Nikitiadis. Damit sei jetzt Schluss.

Sein Land müsse flexibler werden, jeder müsse Hand anlegen. Nikitiadis selbst kämpft etwa gerade dafür, dass die Akropolis ausnahmsweise auch am 1. Jänner offen bleibt. Ein Reiseveranstalter hat darum gebeten.

Griechenlands Tourismusindustrie plant einen Umbruch. Vom Erfolg der Mission hängt für ganz Europa viel ab: Die Tourismusindustrie spielt die Schlüsselrolle beim Kampf gegen das Budgetfiasko. Um die Schulden zurückzahlen zu können, muss die Wirtschaft kräftig wachsen. Weil Griechenland spart, schwächelt der Inlandskonsum. Impulse können nur von Tourismus und Exporten kommen.

Aber die traditionell starke Tourismusbranche steckt in der Krise fest. Zwar machten heuer 15 Millionen Menschen Urlaub in Griechenland, 18 Prozent der Wirtschaftsleistung entsteht im Tourismus. Aber die Einnahmen sind 2009 um zehn Prozent eingebrochen, heuer waren es noch einmal sieben Prozent.

"Bis zum Frühjahr sah alles gut aus" , erzählt George Drakopoulos von SETE, dem Dachverband der Tourismusbetriebe. Aber dann kamen die Unruhen. Im Mai starben drei Menschen bei Demos, Tausende stornierten ihren Urlaub. Nun kämpfen nach Schätzungen rund 3000 Hotels mit Finanzproblemen.

Doch die Demos sind nicht das einzige Problem. Urlaub in der Türkei oder in Kroatien ist billiger. Auch die Qualität stimmt oft nicht: Im Index der Welttourismusorganisation belegt Griechenland nur Platz 24, hinter Zypern und weit hinter Spanien.

Die neue Strategie der Regierung zielt auf die Preise ab. Griechenland hat 2010 nahezu alle Steuern erhöht. Für Hotelbetriebe wird die Mehrwertsteuer ab Jänner 2011 aber fast halbiert.

Kein Geld für CNN

Umgekrempelt wird auch die Werbung. Wegen der Krise ist für CNN-Spots kein Geld da. Erstmals sollen daher gezielt Events, wie der Athen-Marathon oder Konferenzen, vermarktet werden. Statt nur Urlaub am Meer sollen auch die Berge beworben werden.

Die große Hoffnung liegt aber im Kreuzfahrtgeschäft. Dabei will die griechische Regierung, die hart gegen Steuerhinterziehung kämpft, ausgerechnet über Steuerschlupflöcher Gäste anlocken.

Vergangene Woche wurde im Parlament beschlossen, dass auch Schiffe, die nicht unter EU-Flagge segeln, Inselkreuzfahrten in Griechenland anbieten können. Griechenland öffnet sich damit besonders für US-Großanbieter wie Royal Caribbean, deren Schiffe oft unter der Fahne irgendeiner Steueroase segeln. Gewerkschaftsverbände haben vehement gegen die Öffnung angekämpft, sie fürchten Lohndumping. Drakopoulos von SETEsieht dagegen nur Vorteile:4,9 Millionen Kreuzfahrtgäste kommen im Jahr nach Griechenland, eine Million mehr sollen es durch die Öffnung werden.

Um das Budget aufzubessern, wird zudem privatisiert. Griechenland hat 40 größere Flughäfen, davon wird die Hälfte aus dem Ausland angeflogen. Investoren können sich ab 2011 an den Flughäfen beteiligen. Vorbild ist Athen, wo der Baukonzern Hochtief 40 Prozent am Airport hält.

Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen. Die Flughäfen auf den Inseln werden de facto nur im Sommer genutzt - wer sollte sich da einkaufen wollen? Griechische Experten fürchten zudem, dass die Türkei ihr Wachstum bei den Besucherzahlen nicht fortsetzen kann. Stagnieren die Buchungen, dürften die Hotelpreise beim Nachbarn fallen - der Preiskampf wäre damit erst recht eröffnet. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.12.2010)