Wie das Skispitzerl vom Holzbauer Roland im Augenwinkel auftaucht, weiß ich, dass ich den Rutscher am Vorderrad nicht mehr abfangen kann. Den Bruchteil einer Sekunde später fährt die Bestätigung als Schmerz in die Hand und ins Knie ein. Die Yamaha liegt in der Südkurve des Skijöring-Ovals in Gosau. Der Handguard, der eh schon keinen Flügel mehr oben hat, zeigt steil Richtung Sonne, der Kupplungshebel nimmt sich an ihr ein Vorbild. Der steht im rechten Winkel zum Bremshebel – und zum Aus-Schalter, aus dem jetzt die Kabel hängen wie uns bei der Firmung die Hemden aus der Anzughose.
Ein flotter Schlag auf den Handguard, den Aus-Knopf brauch ich jetzt eh nicht. Zum Richten des Kupplungshebels bleibt keine Zeit. Muss ich mich beim Schalten halt ein wenig verrenken. Inzwischen hält mir Weltraumforscher Roland eine Vorlesung über die Schwerkraft und erzählt Suren aus dem Leben eines gewissen Herrn Newton.
Wir sind im Hoffnungslauf zum Halbfinale und liegen (sic!) am vierten Platz. Wir müssen Zweiter werden, um aufzusteigen – und wie ich wieder aufsteige, sehe ich, wie innen ein Motorrad vorbeizieht. Gut, der Weltraumforscher und ich haben uns jetzt eh nicht ausgerechnet, den Pokal heute mitzunehmen und hätten auch keinen Platz mehr dafür im Auto. Aber jetzt hat es grad angefangen, uns zu gefallen, wo wir unsere letzten Meter ins Ziel eiern.
Im freien Training, gemeinsam mit den 22 anderen Motorrad und 8 Quad-Teams hatten wir ziemliche Probleme. Tiefer Schnee und arge Spurrillen beim Terra X-Dream Skijöring in Gosau, haben uns zugesetzt. Das Motorrad schlug so wild um sich, dass der Weltraumforscher Angst hatte, ich könnte ihn mit dem Hinterrad erschlagen.
Hinten hat mir Supermoto-Staatsmeister Hanson Schruf gestern noch einen total geilen Winterreifen aufgezogen. "Der hat auf Schnee einen Grip, das glaubst du nicht." Da hat der Hanson zwar recht, aber auf der Buckelpiste von Rennstrecke ist der Grip auch nicht meine Rettung. Ich schaffe es nicht, das Motorrad unter mir arbeiten zu lassen, weil ich mich wie auf einem Mustang, dem jemand Chili in den Hintern geschmiert hat, festhalten muss.
Als ich nach der ersten halben Runde an den Rand fahre, weil ich Angst habe, mir über die Zunge zu fahren, sehe ich genau am anderen Ende des Ovals den Weltraumforscher stehen und den Planeten winken. Der Roland ist gestern kurzfristig eingesprungen und tauschte die Sterne am Himmel gegen die im Helm. "Wenn ich mir wehtun kann, bin ich dabei."
Obwohl wir es im Training wegen mangelnder Ausdauer nur auf zwei durchgefahrene Runden geschafft haben, stehen wir kurz nach Mittag am Start zum ersten Rennen. Und Himmel aber auch, wir erwischen einen guten Start und gehen als Dritte in die erste Kurve. Das Vorderrad rennt wie auf Schienen in der Spur. Aber beim Raussprinten auf die Gerade reißt das Hinterrad aus, und wir kringeln uns am Boden, während das ganze Feld an uns vorbeizieht.
Macht aber nix, das Rennen wird wegen des Sturzes eines anderen Teams am Start abgebrochen und neu gestartet. Bis wir wieder am Start stehen, haben wir schon einen Ruhepuls, der über der Spitzengeschwindigkeit eines Formel eins Wagens liegt. Den Lauf gewinnen wir also nicht, wie der aufmerksame Leser schon mitbekommen hat – sonst wären wir später nicht im Hoffnungslauf.
Veranstalter Joe Lechner spult da ein anderes Rennen runter. Er hat den britischen Skirennfahrer Graham Bell an sein Motorrad gebunden und fräst mit ihm über den Kurs, dass ihn einmal sogar die Rennleitung einbremst, damit die einzige Spannung im Lauf nicht die Demütigungen durch Überrundung sind.
Ein fantastisches Rennen fährt das Suzuki-Team aus Peter Nesuta und Alexander Hlavac im Hoffnungslauf der Allrad-Quads. Auf der Außenseite versucht er in der letzen Runde am Führenden vorbei zu gehen. "Ich hätte ihn vom Bock geführt, wenn ich weiter am Gas geblieben wäre", erzählt er später, weil sein Gegner die Kurve innen anfuhr, dann aber nach außen getrieben wurde, wo eben gerade die beiden Suzuki-Männer den 750er-Allrad melkten.
Im Finallauf vergibt Joe Lechner in genau der Kurve seinen Sieg, in der ich mit dem Weltraumforscher im Hoffnungslauf einen kurzen Stopp-and-Go einlegte. Er konnte das Vorderrad nicht mehr in der Spur halten und stürzte. Am Ende reichte es für den zweiten Gesamtplatz – den Sieg holte sich das Team des MSC Ramsau aus Florian Obernholzer und Thomas Eder.
Roland fasst nach der Siegerehrung den Tag treffend zusammen: "Da fahren Menschen in ihren SUVs mit Airbag, ESP, einer Vollkasko- und zwei Lebens-Versicherungen hierher und geben sich dann das? Was sind wir bloß für Idioten?" Dann holt er kurz Luft und meint: "Wann starten wir das nächste Mal?"
Links: