Wien / Los Angeles - In der "freien" Blues-Musik des Don Van Vliet alias Captain Beefheart war das Erbe der klassischen, europäischen Moderne mit dem US-Rock-'n'-Roll eine kuriose Kernschmelze eingegangen. Der kalifornische Sänger Van Vliet buchstabierte den Delta-Blues fließend. Aber seine "Magic Band" zersägte die ohnehin reichlich absurd anmutenden Songs des Captains mit Free-Einlagen und nicht-metrischem Timing.
Mit Alben wie dem weltberühmten Trout Mask Replica (1969) pirschten sich diese verhaltensauffälligen Stiefkinder der Gegenkultur noch einmal an die Spitze der Avantgarde. Platten wie die genannte wurden auch von solchen hochgehalten, die sie kaum jemals am Stück fertighören wollten oder konnten.
Don Van Vliet profitierte bereits in jungen Jahren von seiner Freundschaft mit Schulkollege Frank Zappa. Er debütierte mit vergleichsweise konventionellen, indes scharf herausgebellten Moritaten und erfreute sich der Unterstützung durch junge Könner wie den Gitarristen Ry Cooder.
Captain-Beefheart-Songs konnten wunderbare Infernos sein: Während sein gepresstes Organ durch surrealistische Texte hechelte, zogen Bassklarinette und diverse Gitarren baufällige Songgebäude hoch.
Alle Versuche, aus dem Captain einen Star zu machen, versandeten. Trotz denkwürdiger Gastauftritte bei seinem Mäzen Zappa (u. a. auf Hot Rats) und einigen abgemilderten Plattenaufnahmen blieb der spätere Vollzeit-Kunstmaler ein Fall für Spezialisten. Erst die Crème des Post-Punk entsann sich des nervösen Performers, der nach zwei weiteren furiosen Alben (darunter Doc at the Radar Station mit Gitarrist Gary Lucas, 1980) spurlos aus der Musikszene verschwand.
Auch die Malerei des Captains dockte an die Moderne an und huldigte einem anspielungsreichen "Primitivismus". Don Van Vliet wurde zu Lebzeiten zur Legende: Die DNA seiner Musik lässt sich im Werk von Pere Ubu oder The Fall problemlos nachweisen. Er starb jetzt 69-jährig in Nordkalifornien an multipler Sklerose, an der er seit längerem litt. (poh, DER STANDARD - Printausgabe, 20. Dezember 2010)