Die Bewältigung der Schuldenkrise war bestimmendes Thema beim EU-Gipfel. So wichtig der vereinbarte ständige Krisenmechanismus und die Diskussion über Eurobonds sind: Gleichzeitig sind auch die Rahmenbedingungen für die Überwindung der Schuldenkrisen und ihre künftige Vermeidung zu stärken. Der Steuerpolitik kommt hier eine wichtige Rolle zu. So können EU-Steuern entweder die nationalen Budgets direkt entlasten oder einen Teil des EU-Budgets finanzieren, sodass die nationalen Beiträge gesenkt werden können. Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer signalisierte Entschiedenheit bei der Bekämpfung der Spekulation und diente als eine Art Risikorücklage für Problemfälle und Entschuldung in der EU. Auch wäre sie eine Finanzierungsquelle für internationale Anliegen, etwa für die Entwicklungshilfe.

Zweiter Ansatzpunkt ist die stärkere Koordination wettbewerbsanfälliger Steuern. Die aktuellen Budgetnöte der EU-Länder haben den Steuersenkungswettbewerb zwar gebremst. Dennoch ist auch künftig eine Fortsetzung zu erwarten: vor allem im Bereich der Unternehmenssteuern, wo der Steuersatz im EU-Schnitt zwischen 1995 und 2010 von über 35 Prozent auf gut 24 Prozent gesunken ist. Eine Harmonisierung der Körperschaftsteuer - mit differenzierten Mindeststeuersätzen für wirtschaftsstärkere und -schwächere Länder - könnte zur Verringerung des Gefälles bei der Wirtschaftskraft beitragen. Denn ein weiterer ungehinderter Wettbewerb in diesem Bereich dürfte langfristig die Steuereinnahmen verringern. Dies erschwert den Ländern mit geringerer Wirtschaftskraft die Finanzierung einer für Investoren attraktiven Infrastruktur und sonstiger öffentlicher Leistungen, was die bestehenden Divergenzen vertiefen könnte.

Wichtig ist daneben der verstärkte Kampf gegen den Steuerbetrug. Allein bei der Mehrwertsteuer verursachen sogenannte Karussellgeschäfte EU-weit jährlich geschätzte 100 Milliarden Euro Steuerausfälle. Auch wäre verstärktes Augenmerk zu legen auf die Steuererhöhungen, die nun zur Konsolidierung vorgenommen werden. Es sollten insbesondere solche Steuern genutzt werden, die relativ wachstumsfreundlich sind und den Konsum nicht dämpfen, die wenn möglich auch doppelte Dividenden erbringen und die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen abmildern. Bislang erhöhen die EU-Länder allerdings bevorzugt die Mehrwertsteuer, während wachstums-, nachfrage- und verteilungsbewusstere Steuern auf Vermögen eine untergeordnete Rolle spielen und Umweltsteuern nur punktuell erhöht werden.

Natürlich bedarf es darüber hinaus weiterer Maßnahmen zur Verringerung makroökonomischer Ungleichgewichte. Länder mit hohen Außenhandelsüberschüssen sollten die Binnennachfrage ausweiten: etwa durch Lohnerhöhungen, den Abbau von Sparförderungen und In-work-Benefits, die den Konsum stützen, oder die Förderung grüner Investitionen. Länder mit Außenhandelsdefiziten müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Auch braucht jede Konsolidierung eine Aktivkomponente, vor allem in den wachstumsschwächeren Ländern. Wachstumsfördernde Ausgaben für Bildung, Forschung, Wissenschaft, Umwelttechnologien sind zu forcieren: als Voraussetzung für eine langfristige Budgetsanierung wie auch für stärkere makroökonomische Konvergenz der EU-Länder.
 (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19.12.2010)