Eigentlich müssten laut Studie 16.000 Lebewesen auf der Arche Noah Platz gehabt haben.

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Das also soll er sein, der Berg Ararat. Im Tal gurgelt ein Bach. Oben auf der Kuppe verrostet ein Bulldozer, seit die Finanzkrise den Plan für einen Golfplatz durchkreuzte. In der Ferne ragen die Kirchturmspitzen der Kleinstadt Williamstown in den blassblauen Dezemberhimmel, ein Gotteshaus neben dem anderen.

Majestätische Schneegipfel sucht man im sanftwelligen Grant County vergebens - was den Australier Ken Ham nicht daran hindert, dort die Arche Noah stranden zu lassen. Am Ende eines Waldwegs, der mit landestypischem Hang zur Übertreibung Skywalk heißt. Himmelspfad. Früher wuchs dort Tabak, dann lag die Farm brach. Nach dem Aus für die Golfplatzpläne kaufte "Answer in Genesis" das Areal.

Hams Sekte nimmt die Bibel wörtlich, auch die Schöpfungsgeschichte, wonach Gott die Erde in sechs Tagen erschuf und Noah vor der Sintflut eine Arche zimmern ließ. "Wer daran rüttelt, rüttelt an allem", sagt Mark Looy, Sprecher der Gruppe. Selbst Christen zweifelten, aber nun wolle man es allen zeigen. "Wie konnte Noah ein so großes Schiff bauen? Wie konnten so viele Tiere Platz darauf haben? Darauf werden wir Antworten geben."

Galeere als Modell

Die Arche: drei Decks hoch, rund 150 Meter lang und kein einziger Eisennagel, alles aus Holz. So hat Patrick Marsh sie entworfen. Sein Modell war die Galeere "Tessarakonteres" aus dem antiken Griechenland - angeblich fasste sie dreitausend Krieger.

Kreationsforscher John Woodmorappe hat eine Arche-Noah-Machbarkeitsstudie erstellt. Ihr zufolge mussten 16.000 Lebewesen auf dem Kahn Platz haben. Noahs achtköpfige Crew habe sie alle verpflegen können - dank raffiniert vernetzter Futtertröge.

So genau nimmt es Marsh nicht. Ein paar junge Giraffen müssten an Bord kommen, der Rest werde sich finden. Zu Füßen der Arche zeigt seine Skizze eine morgenländische Stadt mit türkisblauen Kuppeln und verwinkeltem Basar. Ein römisches Amphitheater. Den Turm von Babylon. Dass es schon auf dem Reißbrett wie ein biblisches Disneyland aussieht, stört ihn nicht: Unterhaltsam müsse er sein, der alttestamentarische Park.

Erde nicht älter als 6000 Jahre

In Hollywood ließ Marsh den weißen Hai und King Kong nachbauen. Er versteht sich auf Spezialeffekte. Auch das Kreationsmuseum, 2007 nahe Cincinnati eröffnet, ist von ihm. Mensch und Saurier sind dort Zeitgenossen. Für "Answer in Genesis" ist die Erde nicht älter als 6000 Jahre.

Eine Mehrheit sieht es anders, auch in den USA. An staatlichen Schulen wird die Evolutionstheorie gelehrt. 60 Prozent der Amerikaner halten den Kreationismus für Unfug - ein weit geringerer Prozentsatz als in Europa, aber immerhin. Ins Creation Museum kommen vor allem jene, die ihre Kinder zuhause unterrichten.

Die Marktnische ist so groß, dass schon nach drei Jahren der einmillionste Besucher an der Kasse stand. Mit Bibel-Tourismus lässt sich Geld verdienen. Neulich fragte der TV-Sender CBS nach, welcher archäologische Fund den Zusehern am wichtigsten wäre. 43 Prozent nannten die Arche Noah. "Damit war klar, dass wir einen Nerv treffen", sagt Looy.

Steurnachlässe als Hilfe

Die Regierung Kentuckys hilft mit Steuernachlässen, das Projekt zu finanzieren. "Dabei hat das Oberste Gericht entschieden, dass der Staat Religion nicht fördern darf", rügt ein Verfassungsjurist. Gouverneur Steve Beshear, Demokrat, zeigt sich unbeeindruckt. "Die Bürger Kentuckys haben mich nicht gewählt, um über Religion zu streiten. Sie haben mich gewählt, um Jobs zu schaffen."

Exakt 947 Arche-Jobs sollen es sein. 14.000 - rechnet man neue Hotels, Supermärkte und Jobs beim Bau hinzu. Und das in Williamstown, einem Kaff, in dem jeder zweite Laden dichtgemacht hat. Der Letzte, der hier richtig investierte, war Nachkriegspräsident Dwight Eisenhower, der in der Nähe eine Autobahn bauen ließ.

Wade Gutmann, Leiter der örtlichen Handelskammer, sagt deshalb: "Es ist egal, was sie drüben in den Hügeln verkaufen. Hauptsache, es bringt uns aus dem Tal." (Frank Herrmann aus Williamstown, DER STANDARD-Printausgabe, 18./19.12.2010)