Wiener Neustadt  - Auch am 63. Verhandlungstag im Tierschützerprozess Wiener Neustadt gab es erhebliche Verzögerungen. Die Verteidigung wollte weiterhin nicht akzeptieren, dass für die verdeckte Ermittlerin in einem Nebenraum einvernommen werden sollte. Bereits vor der Mittagspause wurde die Verhandlung zwei Mal unterbrochen.

Alle Verteidiger hatten eine öffentliche Einvernahme im Gerichtssaal beantragt. Die Richterin lehnte alle Anträge ab: Die kontradiktorische Einvernahme der Frau sei eine "Ermessensentscheidung" des Gerichts und diene auch zum Schutz einer anonymen Zeugin, meinte Richterin Sonja Arleth. Dass das Fragerecht dadurch von ihr eingeschränkt werde, wie der Zweitangeklagte befürchtete, sei eine "Unterstellung, die ich zurückweise". 

Anträge ignoriert

Gegen 13.15 Uhr verließ die Richterin dann - trotz offener Anträge der Verteidigung - den Verhandlungsraum, um die Befragung der Verdeckten Ermittlerin (VE) zu beginnen. Sie habe während des gesamten Zeitraums ihrer Ermittlungen keine strafrechtlich relevanten Tätigkeiten registriert, gab die VE zu Protokoll. Wie berichtet, sehen die Angeklagten die VE als wichtige Entlastungszeugin im Prozess.

Gerade deshalb hatten die Verteidiger darauf bestanden, selbst Fragen an die VE richten zu dürfen. Die Richterin hat dies bis zuletzt verweigert. Die VE sei psychisch zu sehr belastet und obendrein einer Gefährdung durch die Angeklagten ausgesetzt, argumentierte sie.

"Weder zu alt noch zu krank"

Anwältin Alexia Stuefer erklärte, die Richterin habe für ihre Begründung den falschen Paragrafen herangezogen. Eine räumliche Trennung aus Gründen der Wahrheitsfindung sei nicht vorgesehen und "Danielle Durand" sei auch weder zu alt noch zu krank oder zu gebrechlich, um vor Gericht zu erscheinen. Man könne außerdem davon ausgehen, dass die Frau durch ihre Ausbildung an solche Dinge gewöhnt sei und nicht wirklich psychisch beeinträchtigt sei. Die Argumentation der Richterin, "Danielle Durand" könnte durch das Zusammentreffen mit den Angeklagten einer Gefahr ausgesetzt sein, wies Stuefer zurück: Eine mögliche "Gefahr" der Angeklagten aus den ihnen im Akt vorgeworfenen Säureanschlägen abzuleiten, sei eine vorgreifende Beweiswürdigung und somit nichtig, argumentierte Stuefer.  

Viele Besucher nicht im Saal

Der Besucherandrang war wegen der Ladung der verdeckten Ermittlerin "Danielle Durand" erneut hoch, aber diesmal konnten viele Zuseher nicht in den Saal kommen. Der Grund: Es war eine große Menge an Polizeischülern und HAK-Schülern bereits im Saal. Wer dafür gesorgt hatte, dass die Schüler zur Verhandlung kamen, war danach Thema von Diskussionen. Die Anwälte vermuteten ein gezieltes Vorgehen, sie übten Kritik an diesem "De facto-Ausschluss" der Öffentlichkeit, Beschuldigte blieben aus Protest dem Schwurgerichtssaal fern.

"Kritische Phase des Prozesses"

Es könne nicht sein, dass in einer solch kritischen Phase des Prozesses, wo die Teilnahme der Öffentlichkeit sehr wichtig sei, ein Großteil der Zuhörer dienstlich hier sei, führte Verteidiger Josef Philipp Bischof aus. "Das kommt meines Erachtens einem Ausschluss der Öffentlichkeit gleich." Gemeinsam mit den übrigen Anwälten stellte er daher den Antrag, die Öffentlichkeit zumindest soweit wieder herzustellen, dass auch ein Teil der anderen Zuhörer dem Verfahren beiwohnen könne.

"Ich fürchte mich vor dem Gericht"

Verteidiger Michael Dohr stimmte dem zu: Eine solche Auswahl der Öffentlichkeit sei gemäß der Strafprozessordnung (StPO) nicht zulässig. Dies sei sogar ein Grund für Nichtigkeit. Der Drittbeschuldigte wählte drastischere Worte: "Ich fürchte mich vor dem Gericht, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist", sagte er. Er kündigte an, die Verhandlung zu verlassen, sollte dies so bleiben.

Richterin Sonja Arleth reagierte mit Unverständnis. "Ich weiß nicht, welche Personen sich hier im Verhandlungssaal als Zuhörer aufhalten", sagte sie. Sie kenne das Publikum nicht. Auch nach Rücksprache mit dem Vizepräsidenten des Landesgerichts wies sie die Argumente der Verteidigung zurück. Platzkarten - 60 werden pro Verhandlung vergeben, 30 davon gingen an Polizeischüler, ein großer anderer Teil an HAK-Schüler - würden "lediglich nach zeitlichem Einlangen" ausgegeben.

Gerüchte über Reservierungen

Dem widersprach die Verteidigung: Nachfragen hätten gezeigt, dass die Plätze teilweise reserviert und im Voraus vergeben würden, hieß es. Außerdem sei es Sache des Gerichts, zu prüfen, ob Öffentlichkeit auch tatsächlich gegeben sei. "Öffentlichkeit sind alle Personen, die nicht an dem Verfahren beteiligt sind", antwortete die Richterin.

Arleth bot an, frei bleibende Presseplätze mit Zusehern zu besetzen. Das erschien den Anwälten aber nicht als ausreichend. Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser hat am Donnerstag angekündigt, eine parlamentarische Anfrage zum Thema Öffentlichkeit der Verhandlung einzubringen.

Der ersten Unterbrechung der Verhandlung folgte wenig später eine zweite Pause, nachdem alle Verteidiger eine öffentliche, nicht-kontradiktorische Vernehmung der verdeckten Ermittlerin beantragt hatten.

Verzögerung und kein Ende

Bereits am Montag hatte sich die Einvernahme von "Danielle Durand" verzögert. Am Mittwoch war die Verhandlung dann abgebrochen worden, da die Anwesenden gegen den Beschluss der Richterin, "Durand" nicht im Gerichtssaal zu vernehmen, heftig protestierten - derStandard.at berichtete. (APA)

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