Es gibt viele gute Argumente für die Abschaffung der Wehrpflicht - und eines, das sie alle relativiert: Es gibt europaweit kein Beispiel, wo durch die Abschaffung der Wehrpflicht ein besseres Heer entstanden wäre. Dabei muss man es gar nicht so tollpatschig angehen wie die Belgier: Dort haben populistische Politiker die Systemänderung angeordnet und überfallsartig umgesetzt. Heute dienen dort in Ehren ergraute Soldaten, die schon vor eineinhalb Jahrzehnten Dienst getan haben, in einer Lebensstellung; Nachwuchs ist kaum zu bekommen, und das Budget stagniert, was real einer Kürzung gleichkommt.

Man könnte das, wie gesagt, besser hinkriegen. Aber selbst die besten Beispiele zeigen, dass der Teufel im Detail steckt - selbst die oft als vorbildlich zitierten Slowaken haben ein zu geringes Budget und in der Folge ernste Probleme mit der Rekrutierung.

Und Österreich? Es hat viel mit Belgien gemeinsam: Auch hier sind die Berufssoldaten in einer Lebensstellung - und es gibt keine gesetzliche Handhabe, sie loszuwerden und laufend durch frische Freiwillige zu ersetzen. Und selbst wenn ein Berufs-Bundesheer nicht die Fortschreibung des Beamtenheeres wäre: Schon bisher haben die Politiker jeder Reform die budgetäre Bedeckung versagt - selbst die notwendigsten Ausgaben werden nur getätigt, weil sie letztlich den Wehrpflichtigen nutzen. Ohne Wehrpflichtige gäbe es bald kein Geld mehr - und auch kein Heer. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2010)