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Silvio Berlusconi könnte es politisch an den Kragen gehen.

Foto: Reuters/Bianchi

Silvio Berlusconi hat in Rom eine umstrittene Regierungserklärung abgegeben. Heute, Dienstag, wird über sein Kabinett abgestimmt. Ein Mandat könnte in der Kammer den Ausschlag geben.

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Aus seiner Abneigung für das Parlament hat Silvio Berlusconi nie ein Hehl gemacht. Als er am Montag Punkt neun im römischen Palazzo Madama erschien, betonte der Premier allerdings seine Wertschätzung für die Volksvertreter. Anlass der ungewohnten Geste: beim Misstrauensvotum am Dienstag könnte auch eine einzige Stimme den Ausschlag geben. Verliert der Premier, kann er nicht bis zu Neuwahlen im Amt bleiben. An seiner Absicht, erneut als Spitzenkandidat ins Rennen zu gehen, lässt er freilich keine Zweifel.

Eindringlich warnte der Premier im Senat vor einer "Krise mit ungewissem Ausgang". Seine Regierung arbeite in "perfekter Effizienz" , Italien sei in den Augen der internationalen Finanzmärkte ein "stabiles Land". An seine ehemaligen Bündnispartner von Futuro e Libertà (FL) appellierte er, den Wählerwillen nicht zu verraten und das gemeinsam Erreichte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen: "Nur die Wähler können mir mein Mandat entziehen" , so Berlusconi, der sich für eine Allianz mit jenen Zentrumsparteien aussprach, die sein Angebot bereits seit Wochen ablehnen.

Die Christdemokraten bezeichneten Berlusconis Rede als "aufgewärmte Suppe" , Gianfranco Finis FL lehnte die Vorschläge als "enttäuschend" ab. Koalitionspartner Umberto Bossi lobte die "hervorragende Regierungserklärung" , plädierte aber gleichzeitig für Neuwahlen: "Mit einigen Stimmen Mehrheit kann man das Land nicht regieren."

Nur wenige Stunden vorher hatte Fini den Cavaliere frontal attackiert: "Berlusconi will gar nicht regieren. Er will nur im Chigi-Palast ausharren, um sich seinen Gerichtsverfahren zu entziehen." Gleichzeitig kündigte er an, dass seine Partei nach der Vertrauensabstimmung aus der Mehrheit ausscheren und zur Opposition wechseln werde. Fini schlug Finanzminister Giulio Tremonti als neuen Regierungschef vor.

Berlusconis Rhetorik ließ indes Zweifel an dessen Realitätswahrnehmung aufkommen. Der Premier zelebriert sein gelähmtes Kabinett als "Regierung der Tat" und bezeichnet das zerstrittene Volk der Freiheit als "Partito dell'Amore." Er sei "der Star der internationalen Gipfeltreffen" , versicherte Berlusconi bei der Rückkehr von der OSZE-Konferenz in Kasachstan: "Jeder will sich mit mir fotografieren lassen." Der von unzähligen Affären gebeutelte Premier, den die römische US-Botschaft als "unfähig, selbstgefällig und ineffizient" beurteilt, hält sich neuerdings sogar für eine moralische Instanz: "Ich habe die Moral in die Politik gebracht und den alten Mauscheleien ein Ende bereitet."

"Einsamer Premier"

Der "einsame Premier" (Corriere) erfährt nach dem Exodus der Dissidenten aus den eigenen Reihen kaum noch Widerspruch. Das kann kaum verwundern. Für jene, die eine Karriere in seiner Partei anstreben, galt devote Haltung stets als oberstes Gebot. Der sizilianische Provinzanwalt Renato Schifani konnte dank seiner Hörigkeit ins zweithöchste Staatsamt aufsteigen, der farblose Forza-Italia-Hinterbänkler Antonio Tajani wurde zum EU-Kommissar befördert. Starken Persönlichkeiten zieht der Cavaliere milde Bewunderer wie Kulturminister Sandro Bondi oder attraktive Frauen wie Michela Brambilla vor. Das fast religiöse Credo der rothaarigen Tourismus-Ministerin: "Alle unsere Entscheidungen stehen im Einklang mit Berlusconis Geist."

Lang ist die Liste der Ex-Parteifreunde die dem Regierungschef den Rücken gekehrt haben. Der ehemalige Justizminister Alfred Biondi verabscheut "die unerträglichen Hofschranzen und ihr tägliches Loblieb auf den Cavaliere" . Auch seine natürlichen Verbündeten haben dem Großunternehmer verlassen. Industriellenverbands-Vorsitzende Emma Marcegaglia stellt ihm ein schlechtes Zeugnis aus. Und ihr Vorgänger Luca di Montezemolo macht deutlich: "Es ist an der Zeit, der Ein-Mann-Show nach 15 Jahren Untätigkeit ein Ende zu setzen." (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2010)