Linz - Das Unteilbare und dennoch Geteilte ist ein Leitmotiv im Werk Shilpa Gupta. Symbolisch für die Willkürlichkeit von Grenzen stehen in ihrer Arbeit oft Wolken und Himmel, die sich jedem Versuch entziehen, sie festzuhalten oder zu teilen. Davon erzählt ein flaggenförmig angeordneter Text, den sie mit Klebeband an die Wand heftet. Beim Nähertreten wird auf den Streifen selbst eine zweite Botschaft sichtbar: "There is no border here." Mit Widersprüchlichkeiten und Irritationen hat die indische Künstlerin (geboren 1976) in den letzten Jahren zusehends internationale Aufmerksamkeit erregt.

Inspirationen findet Gupta in ihrer unmittelbaren Lebensumgebung, einem multiethnischen und -religiösen Vorort von Mumbai. Dort entdeckte sie auch die Vorlage für ihr Gittertor, das 2009 bei der Biennale von Lyon die Unmöglichkeit von Grenzen thematisierte. Ein Torflügel kracht stetig gegen die Wand und zerstört so nach und nach den Verputz und damit den dort eingeritzten Umriss des Landes. Es verschwindet. Den medial aufgeheizten Konflikt zwischen Kaschmir und Indien füllte Gupta in kleine Flaschen ab. Blame verspricht die Wohltat, jemanden für etwas beschuldigen zu können, wofür er nichts kann: Religion und Nationalität.

Die Arbeiten operieren mit vertrauten, alltäglichen Gegenständen. Sie erlauben dem Besucher rasche Annäherung und involvieren über spielerische Zugänge. Gupta wünscht sich ein selbstkritisches Publikum, das soziale Zuschreibungen und Ängste genau entziffert. Ihre Arbeiten überzeugen dabei mit ästhetischer Präzision und der Balance zwischen subtiler Vereinnahmung und geradliniger Botschaft. So wie in der interaktiven Installation Threat: Die Bedrohung ist in Seifenstücke geprägt, die der Besucher mitnehmen und verwenden kann.

Verschwindet die Angst, wenn das Stück schließlich aufgebraucht ist? (Wolfgang Schmutz, DER STANDARD - Printausgabe, 14. Dezember 2010)  

Shilpa Gupta: "There is no border here", 2005/06. Foto: OK/Saxinger