Eine der interdisziplinärsten Arbeiten ist jene von Zuleikha Chaudhari. Die Künstlerin und Theaterleiterin arbeitet installativ mit dem Medium Licht - räumliche Eingriffe, die sie performativ belebt.

Foto: Essl Museum

Traditionelles wird sich verlieren und transformieren, ist die indische Kuratorin Alka Pande überzeugt.

***

Klosterneuburg - How To Be A Lady. Keine Frage, sondern mehr ein Verhaltenskodex westlicher Prägung. Candace Simpson-Giles' Regelwerk ist in Mumbai, der aufbrechenden indischen Megacity, wo der 33-jährige Künstler Baptist Coelho lebt und arbeitet, eine Art Bestseller. Das 2001 erschienene Buch der Amerikanerin versteht sich als "zeitgenössisch", Coelho sieht Frauen darin vielmehr ins 17. Jahrhundert zurückversetzt.

Aus wütendem Unverständnis gegenüber dem patriarchalen Tenor entwickelte er die Arbeit How To Be Your Self: Die Videoinstallation verknüpft die Verhaltensregeln mit einer uralten mythologischen Hindu-Erzählung, an deren Ende Krishna die beschämende Entkleidung einer Frau dank endloser Stoffbahnen zu verhindern weiß.

Coelhos Arbeit ist ebenso wie viele andere in der Ausstellung India Awakens vor dem Hintergrund Indiens am Weg zu einer Gesellschaft nach westlichem Vorbild zu sehen. In den letzten Jahren hat sich der indische Subkontinent zu einer der einflussreichsten Wirtschaftsgrößen ausgewachsen - und ebenso wie in China auch boomt die zeitgenössische Kunst. Es investieren Auslandsinder wie Börsenguru Radjiv Chaudry oder auch Sammlerriesen wie François Pinault oder Charles Saatchi und hieven damit Künstler wie Subodh Gupta oder Amar Kanwar in die Starriege. In Indien sind deren Werke nicht mehr erschwinglich, aber abgesetzt wird indische Kunst auch im Land selbst, etwa in Mumbai und Neu-Delhi, das sich in den letzten Jahren als neuer Kunst-Hotspot mausern konnte. Und wenn 2013 schließlich das von Herzog & de Meuron entworfene Museum of Modern Art in Kolkata (vormals Kalkutta) eröffnet, dann wird dort wohl das gezeigt werden, was findige internationale Kuratoren auf kolonialen Entdeckungstouren vom Himalaya bis zum Indischen Ozean aufgelesen und inzwischen auf Biennalen von São Paulo über Moskau bis Venedig als Kunst von morgen ausgestreut haben.

In Österreich setzt Sammler Karlheinz Essl ebenso wie Galeristin Ursula Krinzinger auf die Kraft aus Indien. Krinzinger beschrieb sie einmal als interessanter als die chinesische Kunst, als subtiler und in der Art des Denkens und Lebens näher.

Im Essl Museum wagt man nun den Blick auf das, was möglicherweise in Zukunft erfolgreich sein wird. Mit nicht etablierten Positionen soll, anschließend an Chalo India! 2009 (mit bekannteren Namen wie Anant Joshi und Hema Upadhyay), "die einmal begonnene Recherche in einer spannenden Gegend vertieft werden". Essl reizt Kunst aus dem "alchimistischen Labor, wo es noch gärt, wo Kunst noch nicht ausdefiniert ist". Um diese zu finden, engagierte er die Kuratorin Alka Pande.

Überwiegend traditionell

Pande, die am India Habitat Centre in Neu-Delhi tätig ist, wollte vor allem die kulturelle Vielfalt ihres Landes zeigen. Obwohl "Land" bei 1,2 Milliarden Menschen, die in 28 Bundesstaaten leben und dabei mehr als hundert Sprachen aus vier verschiedenen Sprachfamilien pflegen, fast schon absurd ist. Die "flüssigen Identitäten" ihrer Heimat vertreten 34 Künstler (zwei Drittel aus den indischen Kunstzentren, drei sogar in den USA lebend), die Pande symbolisch Under the Banyan Tree, einem magischen Baum, versammelt hat. Eine Auswahl, die nicht nur in der Wahl der Medien überwiegend traditionell, also figurativ ausgefallen und informativ, aber nicht übermäßig mitreißend geraten ist.

Die sogenannte "Indishness" der Kunst werde sich allerdings noch verlieren, ist Pande überzeugt. Das gehöre zur Entwicklung einfach dazu. "Bei großem Wachstum gibt es auch Verluste", sagt sie nüchtern. Tradition wird nun transformiert, in neue Formen übersetzt. So sind in Viren Tanwars narrativen Zirkusfabeln die Einflüsse britischer Miniaturmalerei zu spüren, die er während des Studiums in London kennenlernte. Riyas Komu reflektiert anhand eines kunstvoll weitergeführten, geschnitzten Massagetisches den traditionellen Körperkult. Ayesha Kapur fängt die Welt hinter Bollywood in nüchternem Schwarz-Weiß ein, und ausgerechnet die in den USA geborene Pratima Naithani spiegelt in zarten Zeichnungen die kulturelle Vergangenheit Indiens. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 14. Dezember 2010)