Essen/Linz - Das offizielle Finale der Kulturhauptstadt "Essen für das Ruhrgebiet" findet zwar erst am 18. Dezember auf einer stillgelegten Zeche in Gelsenkirchen statt. Bilanz gezogen hat man aber bereits jetzt. Und diese fällt äußerst positiv aus: 10,5 Millionen Besucher bedeuten einen Kulturhauptstadt-Rekord. Die Zahl der Touristen stieg im Ruhrgebiet, dem drittgrößten Ballungsraum in der EU, um 13,4 Prozent (in Essen sogar um 30), jene der ausländischen Gäste um 18,1 Prozent.

Linz verbuchte 2009 lediglich neun Prozent mehr Nächtigungen. Und gezählt wurden nur 3,4 Millionen Besucher. Die beiden Kulturhauptstädte können aber nicht wirklich miteinander verglichen werden, auch wenn Linz wie Essen Industriezentren sind, die sich neu positionieren wollten: Ruhr.2010 ist ein Zusammenschluss von insgesamt 53 Städten.

Die Idee, dem "Revier" ein neues Selbstbewusstsein zu geben, dürfte trotz "Kirchturmdenkens" in Ansätzen aufgegangen sein. "Wir haben uns auf der Landkarte Europas neu positioniert", stellte Fritz Pleitgen, der Vorsitzende der Ruhr.2010-GmbH, zufrieden fest. Dafür spreche nicht nur das gewaltige Medienecho: Ruhr.2010 wurde als "Kulturmarke des Jahres" ausgezeichnet.

Die Politik habe jetzt die einmalige Chance, das gewandelte Bewusstsein für langfristige Veränderungen und Wirkungen zu nutzen, meint Geschäftsführer Oliver Scheytt, der Erfinder und Motor der "polyzentrischen Metropole". Es geht also um Nachhaltigkeit: In ihrer "Charta Ruhr" fordern Scheytt und Pleitgen eine Dachmarkenstrategie und die Umsetzung einer "Ereignisdramaturgie", die bereits bis 2020 entwickelt wurde. Sie besteht aus 33 Projekten, die als geeignet definiert wurden, und einigen neuen Ideen. Dafür braucht es aber Geld. Es ist von 2,4 Millionen Euro pro Jahr die Rede, die Politik denkt nun nach.

Ein ähnliches Nachhaltigkeitskonzept hatten die Kulturhauptstadtmacher von Graz 2003 vorgeschlagen - leider ohne Erfolg. Den "Ruhris" dient aber Linz als mahnendes Beispiel: Die Einbußen beim Tourismus betrügen heuer 15 Prozent. Und die Besucherzahlen sind katastrophal: Im Lentos wurden heuer nur 40.300 Eintritte gezählt, 2009 waren es 107.000, 2008 immerhin 70.700. In der Landesgalerie zählte man bis Ende Oktober 23.500 Besucher, im Vorjahr kam man auf 86.000. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe 13.12.2010)