Graz - Die Kirche St. Andrä ist nicht nur als lebendige Mutikulti-Pfarre im Herzen des Grazer Arbeiter- und Migranten-Bezirks Gries bekannt. Sie hat auch einen Pfarrer, der ein Herz für zeitgenössische Kunst hat: Hermann Glettler lockt schon seit Jahren mit Ausstellungen in der Kirche und in der Galerie nextAndrä Besucher auch abseits der Messen in seine Kirche.

Schon 2002 gestaltete Markus Wilfling, einstiger Vater des Uhrturm-Schattens, ein Kirchenfenster in der Barockkirche, indem er in unerreichbarer Höhe eine Türe zum Himmel in das Glas schnitt. Gustav Troger verspiegelte derweil einen Altar und eine Säule.

Nun wurden sämtliche Kirchenfenster von Künstlern neu gestaltet. Vor zwei Wochen wurde das radikale und spannende Gesamtkunstwerk vollendet. Für die neuen Ausblicke auf Kirchhof und Straße sorgten Flora Neuwirth, Lois Weinberger, Ronald Kodritsch, Johanna Kandl, Michael Kienzer, Manfred Erjautz, Josef Danner, Michael Gumhold, Veronika Dreier, Werner Reiterer und Valentin Ruhry sowie die Kollektive G. R. A. M. und Resanita.

Neuwirths Arbeit 1 Fenster / Magenta taucht einen Teil des Kirchenraums in intensives rosa Licht, während die einander gegenüberliegenden Fenster von Erjautz, deren Scheiben sich nach innen und nach außen wölben, den Eindruck vermitteln, ein Seraphim wäre gerade durchs Gotteshaus gebraust.

Die Frage Who's next stellt Kodritsch auf seinem Fenster, auf dem er drei Felder des Strategiespiels Tic Tac Toe anbrachte. Die Pattstellungen werden zum Sinnbild für den freien Raum zwischen sogenanntem Schicksal und seinen Handlungsspielräumen.

G. R. A. M., die nächste Woche mit dem biennal vergebenen Kunstpreis der Stadt Graz ausgezeichnet werden, lassen vier Frauenköpfe, die sich auf einem zufällig im Senegal gefundenen Negativ befanden, auf die Messebesucher blicken.

Das Kirchenfenster aus sieben Fernsehgeräten von Michael Kienzer erinnert auf ersten Blick an die für alte Kirchenfenster typischen strahlenden Farben. Sie werden aber nicht von außen beleuchtet. Die Arbeit zwischenbild ist immer wieder neu bespielbar und ein modernes, sehr technisches Sinnbild für die Frage nach realen und künstlichen Bildern. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 11./12. Dezember 2010)