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Carl Bildt ist schwedischer Außenminister und prominentes Mitglied der bürgerlichen "Moderaten Partei". Von 1991 bis 1994 war der heute 61-Jährige Schwedens Premierminister, von 1999 bis 2001 diente er als UN-Sondergesandter für den Balkan. Foto: dapd

Foto: AP/dapd/Hasan Jamali

 Die Enthüllungen von Wikileaks schaden der Lösung internationaler Konflikte, sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt (61) zu Andreas Stangl. Er stoße sich persönlich aber nicht an forschen Formulierungen von US-Diplomaten.

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STANDARD: Sie haben als einer der Ersten die Veröffentlichung der diplomatischen Depeschen der USA durch Wikileaks als schädlich kritisiert. Diese habe die Vermittlungsfähigkeit der internationalen Diplomatie aufs Spiel gesetzt. Halten Sie angesichts der jüngsten Entwicklung rund um Wikileaks an Ihrer Einschätzung fest?

Bildt: Es gibt keinen Zweifel, dass die Lösung internationaler Konflikte durch Wikileaks erschwert wird. Es wird komplizierter, mit konkreten Situationen in der ganzen Welt umzugehen, wenn es unter den verschiedenen Staaten keine Gespräche mehr geben kann. Es schadet daher der Diplomatie im Allgemeinen und jener der USA im Besonderen.

STANDARD: Wikileaks enthüllte unter anderem auch, dass schwedische Ministeriumsbeamte die USA für ihre Terrorermittlungen mit sensiblen Personendaten aus schwedischen Registern versorgt haben sollen. Damit hat sich die Regierung nach Ansicht von Kritikern der Kontrolle des Parlaments entzogen. Wie sehen Sie das?

Bildt: Zu dieser Vorgangsweise gab es ja gar keine Alternative. Schweden hat eine Sicherheitszusammenarbeit mit verschiedenen Ländern. Es ist eine absolute Notwendigkeit, dass wir solche Kooperationen unterhalten.

STANDARD: In einer anderen Wikileaks-Depesche wurden Sie persönlich von einem US-Diplomaten als "Medium size dog with big dog attitude" charakterisiert, also als politisches Mittelgewicht mit dem Gehabe eines Schwergewichts. Fühlen Sie sich dadurch persönlich verunglimpft?

Bildt: Dazu habe ich keine Meinung. Es ist nicht meine Art, weder Journalisten noch Diplomaten für ihre Formulierungen zu rezensieren.

STANDARD: Wussten Sie vorher von dieser Einschätzung?

Bildt: Nein. Ich lese ja deren Berichte zu so etwas nicht.

STANDARD: Die schwedische Justiz ist wegen ihrer Vorgehensweise gegenüber Wikileaks-Gründer Julian Assange in die Kritik geraten. Gegen ihn wird wegen Vergewaltigung ermittelt, Kritiker sehen politische Motive hinter den Vorwürfen. Was denken Sie dazu?

Bildt: Dazu denke ich gar nichts. Wir haben in diesem Land ein freies Rechtswesen und dieses soll unabhängig sein. Weder kann oder darf ich mich daher in die Aktivitäten der Justiz einmischen.  (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2010)