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Zwei Menschen auf derselben Höhe des Igor-Bauersima-Theaters: Ulli Maier und Alexander Pschill.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - In einer Welt, die das Illusionistenhandwerk den Beamern (Lichtprojektoren) anvertraut, kann nur ein Schmalspurdramatiker wie Igor Bauersima reüssieren. Dessen Zwei-Personen-Stück Kap Hoorn - mit dessen Uraufführung schmückt sich nunmehr das Wiener Josefstadt-Theater - ist ein arg umschweifiges Fortsetzungsdrama zu allen Mutter-Sohn-Stücken, deren Wurzeln im Quark der Atriden vergraben liegen.

Ein junger Springinsfeld (Alexander Pschill) sucht eine 85-jährige Dame (Ulli Maier) heim, der er, unklarer Glückseligkeitsgedanken wegen, das Strandhäuschen abspenstig zu machen versucht.

Die Angesprochene ruht nicht nur in ihrem Ohrensessel. Maier entwickelt als mehrdeutige Täterin alle Ticks und Anwandlungen, die man einer überqualifizierten Pflegebedürftigen zuschreibt. Sie schubbert in Pantoffeln vor den Zylinderhälften eines Bühnenbilds herum (Ausstattung: Bauersima), das der freilich ungenannt bleibende Held eines tatsächlich unsäglich kunstgewerblichen Abends bleibt.

Denn alle Handlungsstränge laufen auf die erwartbare ödipale Katastrophe hinaus. Das Jüngelchen markiert mit heißem Bühnenfleiß den Psychoanalytiker. Das Großmütterchen ist so verstockt und trocken witzig, wie es einer verwitweten Großbankierstochter im Abendlicht ihrer Gemeinheiten geziemt.

Die wahren Ereignisse - die Unterspülhandlungen schwacher, getäuschter, zur Enttäuschung bereiter, auf Glückseligkeit erpichter Seelen - spielen sich im Off der Fabel ab. In den Werkstücken des Igor Bauersima gibt es kein Innehalten. Nur eine Fließrichtung, die sich aus dem Rauschen der eingespielten Nadelbäume ergibt.

Das Stück renommiert mit seinem schlechten Plot wie ein minderer Patricia-Highsmith-Roman. Was könnte sein, wenn der jugendliche Agent provocateur die Dame nur umgarnt, um ihr das Geheimnis ihres Daseins desto ungenierter zu entlocken ...?

Es sind zwei Schauspieler, die einem Änigma ohne Geheimnis ihre Kunstübungen wie Randglossen aufsetzen: Maier, die in sich ruht und thront, um wie ein aufgescheuchter Käfer die Schliche ihres unbedarften Widersachers zu durchkreuzen. Maier könnte in einer ausgedachten Thomas-Bernhard-Adaption den ganzen Holzfällen-Stoff wunderbar kleinhacken. Chapeau!

Weil es aber sonst rein gar nichts Erhebendes zu sagen gibt über Igor-Bauersima-Stücke, die der Urheber unglückseligerweise auch noch selbst inszeniert, sei nur angemerkt: Noch nie klang Rachmaninow so schön wie in den Einspielungen durch Bauersima! Man darf ein paar Super-8-Bilder betrachten (Bauersimas?) und hofft auch sonst, dass das Theater des Igor Bauersima durch Igor Bauersima in eine hoffentlich befriedigende Igor-Bauersima-Richtung weist. Gleichsam bauersimisch.

Großes Lob für Maier und Pschill. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 11./12. Dezember 2010)