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Ein Bild aus besseren Tagen: Die Freunde und damaligen Regierungschefs Ivo Sanader und Wolfgang Schüssel beim Opernball 2004 in Wien. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Ex-Premier Sanader hat gute Beziehungen zu Österreich. Er selbst studierte in Innsbruck, sein Bruder lebt auch heute hier.

Foto: Reuters/Bernhard Holzner

Wien/Zagreb - Am Freitagnachmittag wurde der flüchtige Ex-Premier von Kroatien Ivo Sanader in Österreich verhaftet. Nachdem zuvor ein internationaler Haftbefehl erlassen worden war, hatte Sanader über seinen Anwalt angekündigt, er werde noch am Freitag nach Zagreb zurückkehren. Nun wird Kroatien vermutlich seine Auslieferung aus Österreich beantragen. In jedem Fall steht eine Generalabrechnung mit den Korruptionsaffären der letzten Jahre bevor. In Zusammenhang mit Sanaders Machenschaften wurde der deutsche Honorarkonsul in Rijeka verhaftet.

Am Donnerstag kurz nach 15 Uhr hatte bei Sanader in der Kozarceva-Straße die Polizei geklingelt. "Er ist nicht zu Hause", antwortete eine Frauenstimme über die Sprechanlage. Minuten vorher hatte das Parlament einstimmig die Immunität des heute fraktionslosen Abgeordneten aufgehoben. Aber schon Stunden zuvor hatte sich der frühere Regierungs- und Parteichef von Tochter Bruna mit dem Auto über die Grenze nach Slowenien bringen lassen.

Im Parlament kam es daraufhin zu turbulenten Szenen. Die Regierungspartei HDZ sei eine "kriminelle Vereinigung", ihr Ex-Chef der "Staatsfeind Nummer eins", tobten Abgeordnete der Opposition. Staatspräsident Ivo Josipović sprach von einem "Fehler im System" und verlangte, dass die Verantwortlichen für Sanaders Entweichen zur Rechenschaft gezogen würden. Die Koordinatorin für den EU-Beitritt, Vesna Pusić, nannte Sanaders Flucht eine "Aussage mit den Füßen".

Wenig später schickte Sanader seinem Anwalt ein SMS. "Bitte informieren Sie alle Behörden und Medien, dass ich nicht geflohen bin. Ich komme in drei oder vier Tagen zurück." Über sein Reiseziel war zunächst nichts bekannt, Sanader konnte aber über Slowenien ohne Grenzkontrolle nach Österreich fahren. In Innsbruck, wo Sanader studiert hat, hat er mit Wolfgang Kröss heuer die Firma Prima Consulting gegründet. Kröss zum Standard: "Ich habe keinen Kontakt zu ihm, aber nach all dem will ich jetzt die Firma so schnell wie möglich liquidieren." In Wien verfügt Sanader als persönlicher Freund von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel über beste politische Kontakte.

Schwarze Kassen

Im Sommer 2009 war Sanader plötzlich zurückgetreten. Ein Comeback-Versuch ein halbes Jahr später endete in seinem Parteiausschluss. Seither wurden immer mehr Details über frag-würdige Kreditvermittlungen und schwarze Kassen bekannt. Gleich nach der Aufhebung der Immunität verhängte ein Zagreber Richter am Donnerstag 30 Tage U-Haft gegen Sanader.

Die kroatische Polizei verhaftete indes den deutschen Honorarkonsul Petrochemie-Unternehmer und Eigentümer der Tageszeitung Novi list, Robert Jezić. Er gilt als Schlüsselfigur in Sanaders Korruptionsfällen (siehe Sanader und die Hypo-Freund). Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sanader wegen Amtsmissbrauch und Unterhalt einer "kriminellen Vereinigung" in fünf Fällen. An erster Stelle steht der Vorwurf, er habe über die Firma Fimi-Media Geld aus Staatsunternehmen gezogen, um es illegal zu verteilen.

Ein weiterer Fall rankt sich um Tunnelbauten auf der Autobahn Zagreb-Split: Die staatliche Autobahn-Gesellschaft HAC soll auf Sanaders Anweisung hin dessen Parteifreunden Aufträge zugesprochen haben. Und der inhaftierte frühere Zolldirektor Mladen Barisić sagte aus, er habe in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit dem Premier vier Millionen Euro in bar übergeben. Nach seinem Ausscheiden hatte Barisić seinem Nachfolger eine schwarze Kasse hinterlassen. Aus ihr soll Sanader laut Barišić Koalitionspartner und Journalisten bestochen haben.  (Norbert Mappes-Niediek/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.12.2010)