Twitter- und Facebook-Kommunikation von Anonymous trotz Blockade aufrecht

Foto: derStandard.at/Screenshot

Wie berichtet, haben Internetaktivisten der Netzgruppierung "Anonymous" in den vergangenen Tagen die Webserver von Finanzdienstleistern wie PayPal, VISA oder MasterCard angegriffen, die Spendenzahlungen an die Enthüllungsseite Wikileaks einstellten. Auch wurde die Schweizer Bank Postfinance ein Opfer der Attacken, nachdem sie das Konto des verhafteten Chefredakteurs Julian Assange einfrieren ließ. Um die koordinierten Server-Überlastungsangriffe (DDoS-Attacken) zu organisieren, nutzen die in aller Welt verstreuten Aktivisten Internetforen und soziale Netzwerke. 

In den vergangenen Jahren nutzte Anonymous für die Koordinierung seiner Aktionen häufig das Bilderforum 4Chan, mit der Skalierung der Aktionen im Rahmen von Wikileaks wird zunehmend auf populärere Kanäle gesetzt. Beispielsweise wurden spezielle Seiten und Profile beim Mikroblogging-Dienst Twitter und bei Facebook eingerichtet, um Beteiligte an der "Operation Payback" über die Fortschritte und die nächsten Ziele zu informieren.

(Mehr dazu: Wie legen Wikileaks-Anhänger Websites lahm?)

Bein gestellt

Wie nun unter anderem die Nachrichtenseite Forbes meldet, scheint dies gegen den Willen oder zumindest die auferlegten Nutzungsbedingungen der Netzwerke zu verstoßen. So hatten die Betreiber von Facebook vergangene Nacht die Fan-Seite von "Operation Payback" abgedreht, mit der Begründung, dass man die gesetzten Richtlinien sehr ernst nehme und rasch auf Berichte über "unangebrachte Inhalte und Verhaltensweisen" reagiere. Das Ziel sei, eine "Balance zwischen Redefreiheit und einer sicheren und vertrauenswürdigen Umgebung" herzustellen. Twitter hat indes den Anonymous-Kanal "Anon_Operation" blockiert. Weshalb genau, wurde nicht bekanntgegeben. Dass Twitter die Kommunikation der Anonymous-Aktivisten zu blockieren versucht, sei laut Forbes nicht sicher. Grund für die Sperrung könnten Tweets sein, die im Rahmen einer anderen Aktion namens "Operation: Bank-Troll" abgeschickt wurden. So wurde auf - mittlerweile als gefälscht bestätigte - Listen mit Kreditkartendaten von MasterCard-Kunden verwiesen.

Twitter sorgte in den vergangenen Tagen allerdings auch wegen angeblicher Zensurmaßnahmen für Aufregung. So wird zwar zum Thema "Wikileaks" heftig gezwitschert, in den "Trends" tauchen die Hashtags für WikiLeaks aber nicht auf. Von Seiten der Betreiber heißt es in einem Blogeintrag, man nehme keinen Einfluss auf die Priorisierung der Themen. Twitter Trends würden automatisch nach einem Algorithmus generiert, der Themen nach dem bewertet, ob sie aktuell mehr als zuvor diskutiert werden. Kritiker vermuten dahinter allerdings nicht viel mehr als Ausreden. Tatsächlich ist es schwer zu glauben, dass Hashtags wie "#songsthatleadtosex" heftiger diskutiert werden, als das derzeit alles beherrschende internationale Nachrichtenthema. Es zeige sich, so die Kritiker, dass das US-Unternehmen Twitter offenbar kein neutraler Kommunikationskanal ist.   

Blockade nutzlos?

Forbes stellt die Frage, ob Anonymous seine Attacken nun aus Rache auch gegen die Betreiber der sozialen Netzwerke richten wird. Allerdings wäre dieser Schritt zum jetzigen Zeitpunkt nichts als kontraproduktiv. Laut Twitter-Sprechern sei man aber auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Dass derartige Blockaden geringe Wirkung haben, zeigt sich in der Geschwindigkeit, in der die Aktivisten alternative Facebook- und Twitter-Seiten eingerichtet haben. So geht der Austausch auf Facebook unter "Operation Payback" und unter "Anon_Operationn" (mit zwei "n") wieder munter weiter. In einem aktuellen Statement auf Facebook und über eine Videobotschaft auf Youtube gibt sich Anonymous weiter kampfbereit:

"We Are Anonymous, We Are Legion And Divided By Zero. We Do Not Forgive Internet Censorship... And We Do Not Forget Free Speech. We Are Over 9000, Expect Us!"

Noch nicht vorbei

In einer Stellungnahme gegenüber der BBC sagte ein Vertreter von Anonymous, es werde wahrscheinlich weitere Angriffe als Vergeltung für das Vorgehen gegen Wikileaks geben. "Immer mehr Leute helfen uns", sagte ein Sprecher, der sich lediglich unter dem Pseudonym "Coldblood" (kaltblütig) zu erkennen gab und nach eigenem Bekunden Software-Ingenieur ist. "Die Aktion ist nach meiner Beobachtung noch nicht vorbei", sagte er. Immer mehr Internetnutzer laden sich demnach eine Software herunter, mit der Server angegriffen werden können. "Wir versuchen, das Internet frei und offen für alle zu halten". Auf Twitter heißt es, dass die nächsten Angriffe in wenigen Stunden den Online-Händler Amazon treffen sollen. Amazon hatte vor einigen Tagen Wikileaks die Server abgedreht.

Indes meldet der wiederholt angegriffene Bezahldienst PayPal, dass man nach der Einstellung der Spendenzahlungen an Wikileaks, die Zahlungen wieder freigibt. Offenbar scheint der Druck der Aktivisten und die Angst vor längerfristigen Ausfällen und den damit einhergehenden Verdiensteinbußen Wirkung gezeigt zu haben.

Der Sprecher der deutschen Piratenpartei erklärte, die Attacken zeigten, wie hilflos sich Menschen angesichts des Vorgehens gegen Wikileaks fühlten. Würden ihre Stimmen gehört, würden sie nicht zu derart drastischen Mitteln greifen, sagte der Politische Geschäftsführer Christopher Lauer. Die Piratenpartei ruft nach seinen Worten nicht zu den Attacken auf, unterstützt aber Wikileaks weiter mit Rechnern, auf denen Kopien der Inhalte liegen, um von Internetnutzern gelesen zu werden. Er betonte, Wikileaks werde nur der Schwarze Peter zugeschoben. "Das eigentliche Problem ist nicht Wikileaks, sondern dass die US-Botschaften weltweit vertrauliche Gespräche in einer riesengroßen Datenbank gespeichert haben."

(zw, derStandard.at, 9.12.2010)

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