Textilschwere Wolke oder Körperillusion: Kulisse, vor der Inci Furni ihre Erzählung vom namenlosen Astronauten entwickelt.

Foto: Krinzinger

Wien - Linien aus kurzen oder langen Strichen, bisweilen unterbrochen von Punkten, entwerfen Geografien: Körper- und Gefühlslandkarten werden in dieser Schnittmustersprache aus wild durcheinanderlaufenden Linienschwüngen gezeichnet, erzeugen einen Eindruck von Raum, von Orientierung, auch Chaos. Oder die wilden Kurven fügen sich zur unendlichen, raumlosen Weite des Alls, in der isoliert und namenlos ein Astronaut die Vision vom kopflosen Mädchen hat.

Die 1976 in Bursa (Türkei) geborene) Inci Furni nutzt die Schnittbögen entlehnten Linienformen aber auch, um ihre verträumten Narrative, die in eine Science-Fiction-Welt entführen, zu verknüpfen. Statt - wie in früheren Arbeiten - tatsächlich zu nähen, spinnt sie mit diesen Linien Bögen zwischen den unterschiedlich plastischen, gedämpft kolorierten und comichaften Bildteilen, die Furni wie Elemente einer Collage arrangiert. Es sind Erzählungen, die mitunter die großen und kleinen Papierformate verlassen, um sich - quasi den Gesetzmäßigkeiten der Schwerelosigkeit im Weltraum folgend - auf der Wand weiter zu entfalten und zu wuchern.

Die neuesten Zeichnungen von Inci Furni in der Ausstellung Parrot Can't Talk (Katalogpräsentation 17. 12., 19.00) sind im Zusammenhang der größeren Serie Journey to Ucubik (seit 2008) zu lesen: Es ist eine Expedition zu einem unbekannten Planeten, zu einem weit entfernten Territorium, aber gleichzeitig eine Entdeckungsreise in die eigene Innenwelt. Die poetisch-fiktiven Handlungsstränge zeigen einen dem kleinen Prinzen Saint-Exupérys nicht unähnlichen Protagonisten, der auf der Suche nach Gesellschaft durch surreale Kulissen stolpert.

Gespickt mit architektonischen Versatzstücken wie die symbolisch in eine Art Unterwelt führenden Kanaldeckel, ähneln die entdeckungsreichen Zeichnungen ebenso einem traumhaften Verarbeiten und Reflektieren von Erlebtem. Die Frauenfigur, die sich mit dem Allabenteurer in die Tiefe stürzt, ist symbolisch deutbar: Kopflos (also ebenso unmündig wie auf ihren fetischisierten Torso reduziert) wird sie in man washing his wife on his car zum Objekt. Bilder, die Bezüge auf kulturelle Rollenbilder ihrer Heimat herstellen. Im Nebenraum: wunderbare Fotografien Ali Taptiks. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2010)